Bei der Tube in London sollen 1000 Stellen gestrichen werden. Der Streik der Transportarbeitergewerkschaft führte zu Verhandlungen

Einer geht noch - so sieht es in der Londoner Tube aus, wenn nicht gestreikt wird

Im Kampf gegen den geplanten Abbau von 1000 Stellen bei der Londoner U-Bahn gelang der Transportarbeitergewerkschaft RMT ein wichtiger Teilerfolg. Durch den Streik vom 28. bis zum 30. April konnte die Londoner Transportbehörde wieder an den Verhandlungstisch gezwungen werden.

Es war bereits der zweite Streik bei der U-Bahn in diesem Jahr. Schon im Februar war das wichtigste Verkehrsmittel in der Hauptstadt lahmgelegt worden. Doch die RMT macht das nicht zum Spaß, auch wenn die Berichterstattung der Hauptstadtpresse das glauben machen möchte. Bei diesem Arbeitskampf geht es um die Zukunft der Londoner Tube, wie die U-Bahn in der Metropole genannt wird.

Dabei stehen sich zwei Visionen unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite die des Londoner Bürgermeisters Boris Johnson, der die britische Koalitions- regierung hinter sich hat. Die hat der U-Bahn ein milliardenschweres Spar-, also Kürzungspaket zugedacht. Und Boris Johnson soll das umsetzen. Er rechtfertigt die geforderten Einsparungen propagandistisch mit der Notwendigkeit einer Modernisierung der Tube. Die wird von der Gewerkschaft RMT auch anerkannt, doch Johnson versteht unter Modernisierung vor allem Stellenabbau, Gehaltskürzungen und die Einführung von Zügen ohne Fahrer. Mittelfristig könnte die Privatisierung der U-Bahn drohen, auch wenn das offiziell noch bestritten wird.

Schöne neue Welt ohne Personal

"Was für eine U-Bahn wollen wir?" Das ist die Frage, die die Gewerkschaft RTM dem Modell von Johnson entgegenstellt. John Leach, Regionalsekretär für London, fasste das Problem kurz vor dem Streik in einem Artikel zusammen: "Die Arbeitgebervision ist die einer U-Bahn, in der keiner Kartenschalter und Hilfe benötigt." Eine U-Bahn, in der jeder immer genug elektronisches Geld dabei habe, um zu bezahlen, in der jeder seine elektronische Fahrkarte elektronisch aufladen könne. Leach fragt: "Wo ist der Platz in dieser schönen neuen Welt für Besucher, die sich mit dem Londoner System nicht auskennen?" Oder für Menschen mit Behinderungen, für Menschen mit wenig Geld, die ihre Karte nicht aufladen können, die kein Englisch können? Oder für alle anderen, "die nicht dem Idealbild eines Kunden entsprechen"?

John Leach übertreibt nicht. Bürgermeister Johnson will eine U-Bahn möglichst ohne Personal. Die geplante Schließung aller Fahrkartenschalter, die Johnson übrigens im Bürgermeisterwahlkampf noch abgelehnt hat, ist nur die Spitze des Eisbergs. So soll es die bislang an Schaltern angebotenen Dienstleistungen zukünftig nur noch online oder in abgespeckter Form in Bahnhofsbuchhandlungen geben.

Für die RMT ist das nicht akzeptabel. Wichtig ist dabei auch der Sicherheitsaspekt. Als am 7. Juli 2005 das Londoner Transportsystem von einer Reihe von Bombenanschlägen erschüttert wurde, konnten die U-Bahnen der Millionenmetropole innerhalb weniger Minuten evakuiert werden. Das war möglich, weil es auf jeder Station entsprechend ausgebildetes Personal gab. Gerade dieses Personal jedoch soll ersatzlos gestrichen werden.

Die Gewerkschaft schlägt Alternativen vor

Die britische Tagespresse versucht, die Auseinandersetzung als einen Kampf verbohrter Egomanen darzustellen. Im Februar war es noch der damalige RMT-Generalsekretär Bob Crow, der das Land "grundlos erpresst" habe. Seit dessen Tod sind es seine Nachfolger, die angeblich keinem rationalen Argument zugänglich sind. Doch die RMT hat ein umfassendes Alternativ-Sparprogramm vorgelegt. Dazu gehört der Vorschlag eines Maximalgehalts für U-Bahn-Manager von etwa 100.000 Pfund im Jahr (rund 123.500 Euro). Damit, so die Gewerkschaft, könnten 15 Millionen Pfund pro Jahr eingespart werden. Aber die Arbeitgeberseite will nicht. 100.000 Pfund seien für Spitzenfunktionäre viel zu wenig, heißt es. Doch das Bahnhofspersonal soll Gehaltskürzungen hinnehmen, bis zu 12.000 Pfund pro Jahr.

Derzeit ist Waffenstillstand. Das sah Anfang Mai noch anders aus. Da forderte die Arbeitgeberseite die bedingungslose Kapitulation der Gewerkschaft und provozierte damit fast einen weiteren Streik in der zweiten Maiwoche. Doch wenige Stunden vor Streikbeginn zogen die Arbeitgeber ihr Ultimatum zurück.

Jetzt werden alle Londoner U-Bahnstationen einer Untersuchung unterzogen, Dabei soll festgestellt werden, wie viel Personal für die jeweilige Station notwendig ist. Bis zum Ende der Untersuchung soll keine Stelle abgebaut werden.

Die Gewerkschaft nutzt diese Atempause für eine Veranstaltung mit Behinderten- und Minderheitengruppen, um alle Betroffenen über die geplanten Einsparungen zu informieren. Damit soll die Unterstützung in der Bevölkerung weiter verstärkt werden. Rund 60 Prozent aller Londoner haben schon die letzten Streiks unterstützt. Für Juli ist eine Konferenz mit Transportexperten geplant, auf der Alternativen zu den Einsparungen vorgestellt werden.

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