Leserbriefe

Ich bin seit 1969 Mitglied von ver.di (vorher: ÖTV). Meine gesamte Familie und meine Mitarbeiter/innen auch. Die Artikel und Kommentare von Kollegin Kniesburges führen regelmäßig zu Zweifeln, ob deren politische Zuspitzung noch politisch repräsentativ für ver.di ist. Seit Jahren betreibt die Chefredaktion eine völlig einseitige Agitation "bis die Straße brennt" (so ein Leitartikel aus den vergangenen Jahren). (Anmerkung der Redaktion: "Bis die Straße kocht" lautete die Schlagzeile der ver.di publik 01/02-2009. Thema waren die verheerenden Folgen der Finanzmarktkrise.) Genau dazu passt der Artikel "Gespenstische Vorgänge" zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP). Kollegin Kniesburges folgt genau dem Terminus der Links-Partei. So werden immer wieder mit falschen Argumenten neue Ängste geschürt, die sich eins zu eins in ihrem Beitrag wiederfinden. Die in dem Artikel genannten Vorwürfe basieren fast immer auf Behauptungen und falschen Annahmen, was am Ende zu einem Horrorszenario führt. Damit leisten sie keinen Beitrag zur Versachlichung der Debatte, sondern bilden höchstens neue Mythen. Ganz im Stil der Links-Partei.

Worum geht es in diesem Abkommen? TTIP soll den Handel und die Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks erleichtern. Dazu sollen Bürokratie vermindert, Marktzugangshindernisse abgebaut und Doppelarbeiten verringert werden. Gerade für unnötige Doppelanforderungen wollen wir die Kosten und Anforderungen reduzieren, ohne dabei unsere jeweiligen Standards zu senken. Über mögliche Wachstumsimpulse gibt es unterschiedliche Meinungen. Fakt ist, dass keine wissenschaftliche Studie bislang einen Wachstumsimpuls gerade für uns als Exportland in Frage stellt. In dem geplanten Abkommen geht es weder um eine Absenkung von Arbeitsrechten oder sozialen Standards, noch wollen die Verhandlungsführer die Verbraucher- oder Umweltrechte aushebeln. Im Gegenteil! Ein erfolgreicher Abschluss bietet die Möglichkeit, die internationalen Standards endlich umzusetzen, da beide Akteure die Spielregeln in der Weltwirtschaft mit einem Anteil von 50 Prozent der Weltproduktion stärken.

Diese Spielregeln umfassen nicht nur die Fragen im Umgang mit Rohstoffen oder Energie, sondern sind ein Instrument, um die Globalisierung nach westlichen Werten zu beeinflussen. Dabei darf der EU-Gemeinschaftsbesitzstand nicht gefährdet werden. So haben alle 28 EU-Mitgliedsstaaten die acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert, hingegen die USA bislang nur zwei von acht umsetzten.

Somit können wir Europäerinnen und Europäer als Verhandlungsführer die USA positiv beeinflussen, damit diese die sechs ausstehenden Kernarbeitsnormen endlich anerkennen. Sollten beide Seiten des Atlantiks alle acht Normen umsetzen, so hätte dies eine enorme Strahlkraft auf andere Märkte der Welt und käme den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Ort zu Gute. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird durch TTIP nicht angetastet. Das hohe Schutzniveau für bestimmte grundlegende Dienstleistungen auf lokaler Ebene in Bezug auf Wasser, Gesundheit und Bildung in Europa steht nicht zur Debatte. Ihre Aussage zur "neuen Dimension der Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen" basiert daher lediglich auf Behauptungen.

Axel Schäfer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Berlin

Die Chefredakteurin der ver.di publik ist seit 1976 Gewerkschaftsmitglied, gehört aber keiner Partei an. Die Redaktion

Bei diesen TTIP-Verhandlungen handelt es sich um einen schleichenden Staatsstreich. Das Interesse von Investoren wird verabsolutiert, die Welt wird ihr Golfplatz, die Staaten ihre Balljungen. Der politische Wille des Bürgers läuft ins Leere. Wegen der Schadensersatzpflicht kann sich der Staat diesen nicht mehr leisten. Was wird uns dafür versprochen? Ein Wirtschaftswachstum von 0,048%! Mit anderen Worten nicht einmal ein halbes Promille. Euer Artikel ist ein guter Anfang.

Die Gewerkschaften werden sich jedoch mehr einfallen lassen müssen als einen Zeitungsartikel und stramme Web-Seiten.

Jürgen Romberg, Augsburg

Schön, dass ihr das Thema aufgreift. Aber: Was sind die Konsequenzen für das Gewerkschaftshandeln? Es genügt doch nicht, die Geheimniskrämerei, die Gefährdung von Arbeits- und Verbraucherschutzrechten lediglich allgemein zu benennen und auf die tatsächlich gespenstischen privaten Schiedsgerichte hinzuweisen. Da hätte doch mindestens eine Aufforderung an die Leser kommen müssen, sich an den schon laufenden Gegen-Initiativen von z.B. Campact oder dem Umweltinstitut München zu beteiligen. Noch besser wäre - und nach meiner Meinung dringend geboten - eine massive Aktion der Europäischen Gewerkschaften gegen TTIP und CETA. Oder wollt Ihr abwarten, bis diese unsäglichen demokratiefeindlichen Verträge unter Dach und Fach sind?

Reinhardt Diehl, Kassel


Thema "Forschen für den Frieden, lernen für den Frieden", ver.di publik 4_2014

Wurzbacher wirft in seinem Artikel verschiedenste Dinge in einen Topf, zum Beispiel Hochschul-Initiativen, die sich für die zivile Ausrichtung von Lehre und Forschung einsetzen, mit Schulbesuchen von Jugendoffizieren der Bundeswehr. Und schließlich werden auch noch die Reden von Joachim Gauck und Franz Walter Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz angeführt: für Wurzbacher alles pure Kriegstreiberei. Dass Gaucks Äußerungen Teil einer wichtigen und großen öffentlichen Debatte über das Für und Wider von Militärinterventionen zum Schutz universeller Menschenrechte sind - davon kein Wort. In Wurzbachers außenpolitischer Welt wohnen nur böse Kriegstreiber und gute Friedensaktivisten.

Jörg Beige, Berlin


Thema "Pick, Pack und Fuck", ver.di publik 4_2014

Kritik an den Praktiken von Amazon zu üben, erscheint legitim. Und "in der Arbeitsagentur waren ganze Etagen für Amazon reserviert" - auch das ist bemerkens- und berichtenswert. Aber für problematisch halte ich: "Ein ausgebildeter Zahntechniker wurde mit Sanktionen bedroht, falls er sich nicht bewerbe" und "eine Aufstockerin mit einem festen Teilzeitjob bei der Post wurde aufgefordert, diesen Job zu schmeißen und sich bei Amazon um eine auf vier Wochen befristete Stelle zu bewerben". In den SGB-II-Behörden läuft sicher eine Menge schief. Im täglichen Massengeschäft, bei Arbeitsvermittlern, die 300, 400 oder 500 Kunden zu betreuen haben, gehen nicht selten standardisierte Schreiben heraus, die unpassend sind und die sich bei Kontakt zwischen Arbeitsvermittler und Kunden schnell auflösen lassen (z.B. werden ja manchmal auch versehentlich mit einem Mausklick Schreiben an minderjährige Kinder von SGB-II-Kunden erstellt, deren Inhalt völlig unsinnig erscheint - wenn man eine billige negative Schlagzeile will, hat man sie schnell). Glauben Sie ernsthaft, dass der Zahntechniker mit auch nur einem Ansatz von Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit einer Sanktion "bedroht" wird, falls er sich nicht bei Amazon bewirbt? Oder ist er vielleicht schon lange Jahre arbeitslos und hat kaum noch eine Chance, in seinem erlernten Beruf Arbeit zu finden? Das wäre natürlich eine etwas andere Situation, aber dann müsste man das fairerweise auch erwähnen. Auch die Teilzeitmitarbeiterin bei der Post wurde, so wie ich den Fall sehe, nicht bewusst aufgefordert, den Teilzeitjob bei der Post aufzugeben, sondern die/der zuständige Arbeitsvermittler wollte bei seinen drei oder vier Dutzend infrage kommenden Kunden möglichst keinen vergessen und hat dann halt im Schnelldurchgang drei oder vier Dutzend Anschreiben mit einem Amazon-Vermittlungsvorschlag erstellt. Natürlich geht es in dem Artikel hauptsächlich um die nicht geringen Probleme der bei Amazon tätigen Menschen. Als in einem kommunalen Jobcenter tätiges ver.di-Mitglied bin ich aber nicht gerade begeistert davon, wie hier die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen dargestellt wird - auch unter ihnen gibt es ver.di-Mitglieder.

Gerhard Stevens, Münster


ver.di publik allgemein

Vielen Dank für ver.di publik! Eine gute Mischung aus Information und Unterhaltung. Oft profitiere ich vom Kulturbeutel mit den Empfehlungen. Biografien und Berufsbilder lese ich ebenfalls gern. Weiter so!

Susanne Genth, Weyhe


Thema "Mama im Spagat", ver.di publik 3_2014

In der Ausgabe 03_2014 gibt es einen Artikel mit dem Titel "Mama im Spagat", zu dem ich mich gerne nachträglich äußern möchte. Dass Alleinerziehende in diesem Land einen schweren Stand haben, ist genauso bekannt wie dringlich. Dennoch sollten sich insbesondere gewerkschaftsnahe Personen überlegen, mit wem sie im Namen der sozialen Gerechtigkeit paktieren. Die Bertelsmann-Stiftung erscheint mir hierfür jedenfalls der falsche Partner. Als neoliberale Stiftung vertritt sie die Interessen von Alleinerziehenden und anderen Personengruppen nur insoweit, wie sich dies wirtschaftlich nutzbar machen lässt. Ich rede vom flexiblen Menschen im Sinne Richard Sennetts oder aber auch davon, dass sich die Bertelsmann-Stiftung mehr vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels für Benachteiligte einsetzt als im Sinne der Betroffenen, sowie auch davon, dass Chancengleichheit in den letzten Jahren wieder vermehrt damit verbunden wird, Bildungseinrichtungen nach der Nase der Wirtschaft tanzen zu lassen und gleichzeitig sämtliche anderen sozialen Hintergründe (Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsplatzqualität, soziale Absicherung, Wohnungsnot u.a.), auszublenden. So bin ich als Leiter einer Kindertagesstätte strikt gegen die Idee der Samstagskita und auch gegen die 24h-Kita. Alleinerziehende brauchen eine Arbeit in Würde und keine würdelose Arbeit, die dann die Kita kompensieren soll.

Dennis Wilhelm, Kita-Leiter und Erziehungswissenschaftler aus Frankfurt/M.


ver.di publik allgemein

Was ich schon immer vorhatte, jetzt endlich ein paar Zeilen Dank für den fabelhaften, weil kritischen Journalismus, den ich Monat für Monat mit ver.di publik bekomme (und dem für meine Fachgruppe beigelegten Magzin "M" ebenfalls); Anerkennung, dickes Lob, mein Kompliment für die engagierten Meinungsbeiträge, für die Authentizität in den Reportagen, in den Protraits, für die exzellent recherchierten und abgesicherten Fakten. Dies gilt für jede Ausgabe, die Nummer 4_2014 aber war besonders hervorragend - Reportage Bangladesh, Weltarbeitsbericht, Migrationsschwerpunkt, Mindestlohn und, wie immer, auch die Rezensionen.


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