Ausgabe 06/2014
Den Spieß umgedreht
ver.di publik: Du bist Mitglied der Postbank-Tarif- und Verhandlungskommission. Dieses Jahr fand neben der Bankentarifrunde auch die für die Postbank und die Postbank Servicegesellschaften statt. Außergewöhnlich daran war, dass ihr quasi Arbeitszeitverkürzung gefordert habt. Nämlich pro Woche 50 Minuten. Was steckt dahinter?
ERIC STADLER: Als ver.di haben wir uns Ende 2011 nach einem viertägigen Warnstreik mit den Deutsche-Bank-Arbeitgebern auf einige Einsparungen zur Integration verständigt. Eine davon war eine zehnminütige Minusbuchung der Arbeitszeit pro Tag. Im Nachgang, nach dem Abschluss mehrerer Haustarifverträge bei weiteren Tochtergesellschaften der Deutschen Bank, stellte sich heraus, dass der Arbeitgeber auch mit einer klassischen 39-Stunden-Woche zurechtkommt. Das und der Unmut der Mitglieder in den Betrieben über dieses Instrument sowie eine Abfrage bei den ver.di- Mitgliedern, welche Themen sie für die wichtigsten der Tarifrunde halten, hat die Tarifkommission dazu veranlasst, diese Verkürzung zu fordern.
ver.di publik: Wie habt ihr es geschafft, das Thema mit den Arbeitgebern überhaupt verhandeln zu können?
STADLER: Ein schwieriges Unterfangen! Die rechtliche Ausgangslage der verschiedenen tarifvertaglichen Regelungen, deren Kündigungsfristen und Wirkung auf die unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen war so komplex, dass sich der Arbeitgeber zunächst auf den Standpunkt stellte: Wir verhandeln die zehn Minuten gar nicht. Im Unterschied zur Bankentarifrunde aber haben wir zwischen 70 und 80 Prozent Organisationsgrad und deshalb war für uns immer klar: Wir reden erst über die zehn Minuten und dann über die Gehaltssteigerungen. Wir haben den Spieß einfach umgedreht. In der Bankenrunde mussten die Kolleginnen und Kollegen den Arbeitgeber erst bestreiken, um die Vorgabe der Samstagsarbeit vom Tisch zu bekommen. Bei uns hat die Androhung von Streikmaßnahmen gereicht, um ein gutes Ergebnis in allen Punkten zu erreichen. Es ist also schon wichtig, viele Mitglieder, also einen hohen Organisationsgrad hinter sich zu wissen. Da verhandelt es sich leichter.
ver.di publik: Bei der Deutschen Bank sind im Moment weitere Einsparungen geplant. Welche Auswirkungen wird das für die Postbank-Beschäftigten haben?
STADLER: Zunächst werden wir noch in diesem Jahr beginnen, einen eigenen Tarifvertrag für alle Plattformgesellschaften, also alle Servicegesellschaften in der BS-Deutschen Bank, zu verhandeln. Es wird sehr schwer, die vielen Unterschiede der Gesellschaften am jeweils besten Beispiel zu vereinbaren. Daneben läuft am 31. Dezember der tarifliche Kündigungsschutz aus. Diesen gilt es zu verlängern und damit erstmals im Deutsche-Bank-Konzern eine solche Regelung einzuführen. Hier stellt sich für uns allerdings nicht die Frage, ob er verlängert wird. Sondern nur, wie viel wir dafür kämpfen, also streiken müssen. Aktuellster Punkt aber ist, das Ansinnen einer Gesetzesnovelle zum PostPersonalrechtsgesetz zu vereiteln. Das Gesetz macht es möglich, die Dienstherren- eigenschaft für die Beamten auch auf Rechtsnachfolger z.B. der Postbank zu übertragen. Das bringt uns als ver.di und als Funktionären von ver.di politischen Spielraum. Wichtig ist jedoch immer, egal ob Tarif- oder Gesellschaftspolitik, dass wir für das Mitglied und mit dem Mitglied arbeiten. So, denke ich, können wir unsere Konflikte positiv bewältigen.
INTERVIEW: Tina Scholze