Protest gegen das Freihandelsabkommen in Berlin

Die Europäische Union verhandelt derzeit mit den USA über ein Freihandelsabkommen (ver.di publik berichtete mehrfach). Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Gewerkschaften und andere Nichtregierungsorganisationen fordern seit Monaten mehr Transparenz ein und erhalten dabei immer mehr Unterstützung aus der Bevölkerung. Die Kritiker/innen befürchten, dass die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, auf deren englischer Bezeichnung Transatlantic Trade and Investment Partnership die Kurzbezeichnung TTIP basiert, Verschlechterungen bei Sozial-, Verbraucher- und Umweltstandards mit sich bringt. Standards, die in vielen EU-Ländern in langen Jahren erkämpft wurden. Jetzt, so ist die Befürchtung der TTIP-Gegner/innen, sollen sie quasi durch die Hintertür über ein Freihandelsabkommen ohne demokratische Legitimation ausgehebelt werden.

Benachteiligt durch politische Entscheidungen?

Die Details dringen zwar nur stückchenweise an die Öffentlichkeit, aber eins scheint klar. Die Interessen von Investoren werden in TTIP ausführlich berücksichtigt. Ein Beispiel ist der Investorenschutz. Sehen Unternehmen sich durch politische Entscheidungen eines beteiligten Landes benachteiligt, sollen sie die Möglichkeit bekommen, dieses Land vor einem privaten Schiedsgericht auf Schadenersatz zu verklagen.

Dieser Schutz ist bereits Bestandteil verschiedener Freihandelsabkommen. Wie er im Falle TTIP ausgestaltet sein könnte, verrät ein Blick auf CETA, ein weiteres Freihandelsabkommen, das die EU und Kanada ausgehandelt haben. Hier steht die Abkürzung für Comprehensive Economic and Trade Agreement, zu deutsch: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Es ist allerdings noch nicht ratifiziert. Es gilt als Blaupause für TTIP. Dieser Vertragstext, der rund 1500 Seiten umfasst, gelangte kürzlich an die Öffentlichkeit. Martin Beckmann vom Bereich Politik und Planung des ver.di-Bundesvorstands sieht sich nach der Lektüre von Teilen des Vertrags CETA in den Bedenken gegen TTIP bestätigt. Für problematisch hält er insbesondere den weitreichenden Investorenschutz.

Beispiele, wie Unternehmen ihn nutzen können, gibt es aufgrund bereits geltender Freihandelsabkommen genug. So verlangt aktuell ein US-amerikanischer Zigarettenhersteller in Australien Schadensersatz, weil dort per Gesetz strengere Regelungen für Tabakwerbung eingeführt worden sind. Diese schaden angeblich den Gewinnerwartungen des Unternehmens. Auch der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat Deutschland nach der Ankündigung des Ausstiegs aus der Atomenergie verklagt. Angeblich haben sich beide Seiten außergerichtlich geeinigt. Details wurden auch hier nicht veröffentlicht. Und der französische Ver- und Entsorger Veolia versuchte, sich vor einer solchen Schiedsstelle gegen die Erhöhung des Mindestlohns in Ägypten zu wehren.

Gedacht als Schutz vor Enteignung

Investor-Staat-Streitbeilegung heißen diese Verfahren offiziell; ursprünglich waren diese Schiedsstellen einmal dazu gedacht, Investoren vor Enteignung zu schützen. Doch mittlerweile nutzen Unternehmen sie häufig, um gegen Entscheidungen von Regierungen vorzugehen, durch die sie ihre Gewinne gefährdet sehen. Bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (Unctad) waren im Jahr 2013 nicht weniger als 560 solcher Verfahren auf Basis bereits geltender Abkommen registriert, Tendenz stark steigend.

Die Verfahren sind nicht öffentlich, besetzt sind sie oft mit Anwält/innen oder sonstigen Jurist/innen, aber nur selten mit hauptamtlichen Richter/innen. Dennoch sind die Entscheidungen bindend für den Staat.

Diese Beispiele zeigen, was geschehen kann, wenn der Investorenschutz einer der Schwerpunkte von TTIP und Ceta wird. Zugleich werden - so wird befürchtet - die Rechte von Arbeitnehmer/innen und Verbraucher/innen auf der Strecke bleiben. Sozial- und Umweltstandards könnten einem weiteren Unterbietungswettbewerb preisgegeben werden.

Bereits im Mai 2013 hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske gefordert, dass "soziale und ökologische Ziele gleichrangig mit den wirtschaftlichen Zielen verfolgt werden" müssen. Ein Ziel, für das die Gewerkschaften und immer mehr gesellschaftliche Organisationen streiten werden.

Europaweiter Aktionstag gegen TTIP und CETA

Mittlerweile wächst der Widerstand gegen TTIP. Daher hat das Bundeswirtschaftsministerium einen entsprechenden Beirat eingerichtet, damit der Verhandlungsstand, so weit er dem Ministerium bekannt ist, breiter diskutiert werden kann. Auch ver.di ist daran beteiligt. Der DGB hat ein Aussetzen der Verhandlungen gefordert, bis ein neuer, und zwar transparenter Verhandlungsauftrag festgelegt ist. Verschiedene gesellschaftliche Organisationen rufen für den 11. Oktober europaweit zu einem dezentralen Aktionstag auf. Mehr Informationen zu TTIP und Ceta unter http://wipo.verdi.de