Hessen - Die Zeiten, in denen der Frühstückskaffee erst schmeckte, wenn auch die Zeitung bereit lag, scheinen vorbei zu sein. Seit Jahren klagt die Branche über Auflagenrückgang, schwindende Anzeigeneinnahmen und veränderte Informationsgewohnheiten. Das ist auch in Hessen so. Schwerkrank strauchelte die Frankfurter Rundschau, bei der Financial Times Deutschland gingen die Lichter ganz aus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung kündigte ebenfalls Entlassungen an. Nun machte Ende September das Darmstädter Echo negative Schlagzeilen. Etwa die Hälfte der 400 Beschäftigten soll die Arbeit verlieren. Bereits vor vier Jahren wurden durch die Schließung der Echo-Druckerei in Darmstadt 130 qualifizierte Arbeitsplätze vernichtet.

"Brutaler geht es nicht", urteilen ver.di und der Betriebsrat. Seit rund 70 Jahren besteht das Unternehmen, das neben dem Darmstädter Echo mehrere Lokalausgaben für die Landkreise in Südhessen herausgibt. Nach eigenen Angaben werden täglich 90.000 Leser erreicht. Nun soll hauptsächlich im Angestelltenbereich, aber auch in den Redaktionen gespart werden. Zum Konzept gehört, dass der "Mantel", also der Teil mit den überregionalen Nachrichten, künftig extern bezogen wird. Es könnten auch Außenredaktionen zusammengelegt werden. Wenn zusätzlich Kernaufgaben des Verlags von der IT bis zur Anzeigenannahme an externe Dienstleister ausgelagert würden, könnte wertvolles Know-how verloren gehen. ver.di befürchtet eine Verarmung der Medien- und Informationsvielfalt.

Der Betriebsrat Thomas Boyny wirft der Verlagsleitung vor, dass zur allgemeinen Krise schwerwiegende Managementfehler im eigenen Haus hinzukämen. Diese hätten über Jahre hinweg die möglichen Erlöse geschmälert und die Kosten durch zweifelhafte Projekte in die Höhe getrieben. Nun vorwiegend mit Personalabbau zu reagieren, nennt er phantasie- und konzeptionslos. Denn immer noch werde im Printbereich Geld verdient. Allerdings gehen die Anzeigenerlöse zurück. Aber gerade hier sieht er ein Versäumnis der Echo-Leitung in Bezug auf den südhessischen Markt. Thomas Boyny konstatiert Gesprächsbedarf zu einzelnen Abteilungen des Hauses, ebenso zu den wirtschaftlichen Chancen insgesamt bei einer so drastisch verkleinerten Belegschaft.

Zukunft online und Print

Da scheint man bei der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) in Kassel weiter zu sein. Nach Einschätzung der Betriebsrätin Ulrike Weinmeister hat man früh auf den Umbruch der Branche reagiert und sich um den online-Bereich gekümmert. Sie sieht in der Verknüpfung von Digital und Print ein zentrales Konzept. Bereits seit 1989 erscheint die online-Ausgabe der HNA mit interaktiven Leser-Blogs, Fotoseiten und Leserforen. Auch eigene Videos werden produziert, man unterhält ein spezielles Web-Radio. So bekommen die Anzeigenkunden ein multimediales Angebot. Auch die Abonnenten der Print-Ausgabe werden auf diese Weise bedient.

Außerdem ist die Betriebsrätin davon überzeugt, dass die Zukunft der Zeitung zu einem erheblichen Teil in der Lokalberichterstattung liegt. Ihr wird bei der HNA inzwischen wesentlich mehr Platz eingeräumt. Sie ist in der Zeitung nach vorne gerückt. Darüber hinaus setzt man in anderen Bereichen wie Politik stärker auf eigene Recherche und Hintergrundinformation, bedient sich weniger bei Agenturen.

Dass die HNA zurzeit "ganz gut aufgestellt" ist, hatte - so Weinmeister - allerdings einen erheblichen Preis. Im Druckhaus, einer ehemaligen gewerkschaftlichen Bastion, hat es Entlassungen gegeben. Und in der Redaktion gibt es heute zwei Gruppen von Redakteurinnen und Redakteuren: Neu Eingestellte werden schlechter bezahlt als die Alt-Beschäftigten. Der Verlag ist nicht mehr tarifgebunden. Generell gilt die 40-Stunden-Woche. Das empfindet sie als einen großen Wermutstropfen. Sie ist fest davon überzeugt, dass der Verlag der Zukunft qualitativ hochwertige Arbeit liefern muss. Dazu gehören auch angemessene, hochwertige Arbeits- und Einkommensbedingungen für die Medienschaffenden. Renate Bastian