Luise Fuckface ist Sängerin in der Berliner Punkband "The toten Crackhuren im Kofferraum", kurz The Tchik. Gestartet als Spaßprojekt in der Schulzeit, geht die Band inzwischen in ihr siebtes Jahr. Zum Interview erscheint Luise, die alle Texte schreibt, allein, und sie kommt direkt von der Arbeit

ver.di publik - Anfangs ging es bei Euch ja um Jungs und Freibier. Was hat sich seither in den Jahren für die Band geändert? Wollt Ihr daraus inzwischen ernsthaft Arbeit machen?

LUISE FUCKFACE - Naja, Geld verdienen wär schon schön für alle, das motiviert natürlich. Aber eigentlich ist die Band unser Ausbruch aus dem Alltag. Wenn wir rausfahren, sind wir auch alle immer outa space, das merkste richtig, alle steigen in den Bus und schalten ihren Kopf aus, und das ist eben ein bisschen wie Urlaub, anstrengend, aber schön. - Wie war die Frage noch gleich?

ver.di publik - Ob das schon in Richtung Arbeit geht.

LUISE - Auf jeden Fall. Du musst viel planen und organisieren, vor allem mit so vielen Leuten, das ist manchmal schon anstrengend. Aber dann, wenn man dann unterwegs ist, ist es schon ganz schön. Also es ist viel schöner als arbeiten zu gehen.

ver.di publik - Und wo arbeitest Du nebenher?

LUISE - Als Musikerin hab ich ja nicht so viel Zeit und bin nicht so flexibel, deswegen hab ich jetzt ‘ne Weile als Aushilfe in einem Frozen-Joghurt-Shop in einem Einkaufscenter gearbeitet.

ver.di publik - Und das haut hin mit der Kohle?

LUISE - Du fängst meist bei 6,50 die Stunde an in ‘nem Aushilfsjob. Ist überall so. Ich hab schon lange nicht mehr gehört, dass man als Aushilfe irgendwo mehr als acht Euro die Stunde verdient. Du findest ja auch kaum noch Jobs außerhalb des Dienstleistungssektors. Bei mir ist es immer so gewesen, wenn du Aushilfsjobs machst, bist du eben gefickt, da kriegste nix. Also wenn ich mich manchmal mit Leuten aus dem Einkaufscenter unterhalte, die kriegen fünf Euro die Stunde, das ist schon ein Witz. Was machst'n mit fünf Euro? Wie viel willst'n da arbeiten?

ver.di publik - Und wie lange willst Du das so machen?

LUISE - Ich bin vor drei Monaten erst Filialleiterin geworden, muss jetzt aber wieder aufhören, weil ich an der Fachhochschule Potsdam anfange, Dokumentation und Informationswissenschaften zu studieren. Ich will mal was Seriöses machen.

ver.di publik - Interessante Fächerwahl.

LUISE - Ich bin halt der perfekte Stalker. Ich weiß, wo ich meine Informationen herkriege, und das wollte ich jetzt auch noch auf'm Blatt haben. Ich hab' schon immer gerne Sachen rausgesucht und mich irgendwo informiert.

ver.di publik - Auch, wenn es mit viel Rennerei verbunden war?

LUISE - Ja, das ist irgendwie ein bisschen wie eine Jagd.

ver.di publik - Warum googlest Du nicht, wie alle anderen auch?

"Ich will mal was Seriöses machen"

LUISE - Nee, so faul bin ich nicht. Ich guck dann auch immer woanders. Ich will ja auch mehr in die journalistische Richtung. Irgendwas mit Medien machen, so wie alle. Ich hab' überlegt, ob ich das irgendwie mit Musik verbinden kann. Deshalb mache ich mein Auslandssemester demnächst in Nashville, in der Country Hall of Fame. Das ist mein Ding. Ich muss nur noch ein bisschen sparen.

ver.di publik - Euer erstes Album ist gleich bei der Universal veröffentlicht worden. Blieb denn da nichts hängen?

LUISE - Pfff, dit heißt ja nüscht. Da haste Glück, dass du einen Vertrieb hast und dann deine doofe CD in jedem Saturn rumsteht. Aber ich muss sagen, das zweite Album hat sich besser verkauft, und das haben wir komplett selbst finanziert. Aber da geht eben die Kohle hin. Es gibt schon ein paar Vorschüsse vom Verlag, aber keine Riesensummen, das ist alles selbst verdient und gleich wieder investiert.

ver.di publik - Wie viele Leute gehören denn aktuell zur ständigen Besetzung?

LUISE - Das wechselt gerade ganz schön, weil ja alle Kinder kriegen müssen und Karriere machen wollen und so'n Quatsch, was Frauen dann halt so machen, Mitte, Ende zwanzig. Aber jetzt können wir schon langsam dazu stehen. Und einen Bus kriegen wir voll. Wenn wir losfahren, sind wir neun Leute. Und da sind die Toyboys dabei. Wir haben schon wieder getauscht, wir haben uns verjüngt, wir können ja nicht immer mit so alten Knackern rumrennen. Nee, also die Jungs haben auch andere Projekte, und deswegen haben wir jetzt ein paar Ersatzmusiker - sehr hübsche Ersatzmusiker! Das ist ja wichtig.

ver.di publik - Band und Baby - Familie und Beruf - lässt sich also auch in einer Punkband schwer vereinbaren?

LUISE - Es ist auf jeden Fall schwierig. Wir haben ja schon zwei Babys in der Band, und das haben wir bisher auch ganz gut gemanaged. Aber genau deswegen gibt's ja auch so wenig Frauenbands, weil irgendwann haben die Frauen andere Sachen im Kopf. Aber ich habe Blut geleckt und will unbedingt weitermachen. Die Musik ist mein Ding.

ver.di publik - Inwieweit ist das Bandprojekt mitgewachsen. Hast Du selbst damit gerechnet, dass es Euch heute noch geben würde?

LUISE - Auf keinen Fall! Am Anfang hat man ja auch gemerkt, dass das alles so ein bisschen pubertär war. Da habe ich einfach alles, was ich im Tagebuch gefunden habe, zu Songs verwurstet. Und inzwischen - naja, richtig erwachsen kann man das nicht nennen. Ich werde jetzt aber nicht darüber singen, wie es ist, dreißig zu werden, weil ich das affig finde. Es ist völlig egal, wie alt man ist. Ich werde trotzdem über alberne Sachen singen.

ver.di publik - Eure Themen sind ja nicht nur albern, die begleiten die Leute durch die verlängerte Pubertät, fast ein bisschen in Ärzte-Tradition.

LUISE - Obwohl die jetzt auch darüber singen, wie es ist, alt zu werden. Die haben da dieses Lied und singen: "Ja, wenn ich jetzt ‘nen Haus hab und ‘nen Garten, ist das noch Punkrock?" Darüber mach ich mir gar keine Gedanken, das ist mir einfach Latte. Wenn ich sage, das ist Punkrock, dann ist das eben Punkrock. Seitdem kann ich mir die Ärzte auch nicht mehr anhören, weil ich das komisch finde.

ver.di publik - Trotzdem steuert unter anderem Bela B. von den Ärzten einen Track zu Eurem aktuellen Album bei.

LUISE - Joah, das war ganz schön. Den hab ich auf dem Rocko de Schlacko-Festival kennengelernt, als er unsere T-Shirts gekauft hat. Mit 15 war ich Ärzte-Fan, schon immer verliebt in Bela, so ‘nen Traummann, und dann saß ich da plötzlich Backstage und hab' mir die ganze Zeit Taschentücher unter die Achseln gesteckt, weil ich übelst geschwitzt habe vor lauter Aufregung. Er fand das total putzig und ist dann zu unserem Auftritt gekommen und hat mit uns gedanced auf der Bühne. Der ist sich für nix zu doof.

ver.di publik - Nach zwei Alben und der Teilnahme an Stefan Raabs Bundesvision Song Contest - werdet Ihr denn doch noch mal ein Instrument lernen?

LUISE - Nö, ich bin zu ungeduldig für ein Instrument. Der Sound kommt weiterhin vom Laptop, dazu live die Toyboys an Schlagzeug, Bass, Gitarre. Wir können ja immer noch nüscht. Aber immerhin habe ich jetzt einen Schellenkranz, der im Dunkeln leuchtet.

Interview: Jenny Mansch

Die Tchiks und ihre Toyboys

So richtig gegründet haben sich die Tchiks 2007, seitdem wechseln in loser Folge die Bandmitglieder. Die Band tritt mit bis zu drei Sängerinnen auf und einer variablen Anzahl von Tänzerinnen. Der Elektro-Punk-Sound kommt vom Laptop, unterstützt werden sie von ihren drei sogenannten Toyboys, den Männern, an Bass, Schlagzeug und Gitarre. 2008 waren sie Vorband von K.I.Z., im letzten Jahr traten sie mit dem Lied Ich brauch keine Wohnung für Sachsen bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest auf und belegten den neunten Platz. Ihr erstes Album Jung, talentlos und gecastet erschien 2010 noch bei Universal, das zweite Album von 2013 Mama, ich blute haben die Crackhuren selbst finanziert. Auf dem Album gastieren Bela B. von den Ärzten, Alex Tsitsgias von Schrottgrenze und Jakob Häglsperger von Frittenbude. Sängerin Luise schreibt die Texte der Band und hat mit der Band Lulu und die Einhornfarm ein neues rockigeres Nebenprojekt, in das sie nicht weniger Elan steckt.


Ich brauch keine Wohnung

Meine Stadt hat MundgeruchIch hör die Gullys atmenSie pulsieren ohne PauseGenau wie ich auf Gerstenbrause

Kannst du es hören?Kannst du es sehen?Wie Crackhuren sich durch die Straßen drehenKeine Pause und gegen das SystemDas System lässt mich nicht schlafen gehen

Ich brauch keine Wohnung Die Stadt ist mein Zuhause Ich will keinen Käfig - nein niemals nein! Ich brauch keine Regeln Ich brech alle Regeln Sonst kann ich nicht glücklich sein

Stundenlang durch die Straßen getanztDer Mond ist meine DiscokugelIch küsse jeden, weil ich es kannUnd leg mich mit dem Schutzmann an

Meine Stadt, mein ZuhälterMal böse und gemeinMal küsst sie mich, mal tritt sie mirIn die Fresse rein

Kannst du es hören?Kannst du es sehen?Sie hat HungerSie frisst mich aufNimmersatt - gegen das SystemOhne Crackhuren kann sie nicht schlafen gehen

Ich brauch keine Wohnung...

120 Quadratmeter Loft mit Aufzug - perverser Stalker inklusive(Ich brauch keine Wohnung)50 Quadratmeter, zwei ZimmerMit ohne Badewanne, Dusche im Flur - des Nachbarn(Ich brauch keine Wohnung)Schloss vom TraumprinzenMit weißem Pferd vor der Tür - in Afghanistan(Ich brauch keine Wohnung)Tageslichtfreundliches SouterrainMit ohne Fenster - dafür sehr ruhig(Ich brauch keine Wohnung)

Ich brauch keine Wohnung ...

Stundenlang durch die Straßen getanztDer Mond ist meine DiscokugelIch küsse jeden, weil ich es kannUnd hänge allen Herpes anUnd hänge allen HerpesHänge allen HerpesUnd hänge allen Herpes an

"Ich will mal was Seriöses machen"

Die Tchiks und ihre Toyboys

So richtig gegründet haben sich die Tchiks 2007, seitdem wechseln in loser Folge die Bandmitglieder. Die Band tritt mit bis zu drei Sängerinnen auf und einer variablen Anzahl von Tänzerinnen. Der Elektro-Punk-Sound kommt vom Laptop, unterstützt werden sie von ihren drei sogenannten Toyboys, den Männern, an Bass, Schlagzeug und Gitarre. 2008 waren sie Vorband von K.I.Z., im letzten Jahr traten sie mit dem Lied Ich brauch keine Wohnung für Sachsen bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest auf und belegten den neunten Platz. Ihr erstes Album Jung, talentlos und gecastet erschien 2010 noch bei Universal, das zweite Album von 2013 Mama, ich blute haben die Crackhuren selbst finanziert. Auf dem Album gastieren Bela B. von den Ärzten, Alex Tsitsgias von Schrottgrenze und Jakob Häglsperger von Frittenbude. Sängerin Luise schreibt die Texte der Band und hat mit der Band Lulu und die Einhornfarm ein neues rockigeres Nebenprojekt, in das sie nicht weniger Elan steckt.