Drei Typen von Urlaubern spuckt die Color Line am Ende ihrer Überfahrt von Kiel nach Oslo aus. Pärchen nutzen den Kreuzfahrtcharakter des Schiffes zur Erholung und strömen für drei Tage in die Hauptstadt, um die Oper, das Munch-Museum oder den Skulpturengarten zu besuchen. Bärtige und wettergegerbte Männer Marke ZZTop besteigen ihre Motorräder und brettern zum Nordkap. Und dann sind da noch die Angler. Man erkennt sie, wenn man im Vorbeigehen kleine Gesprächsfetzen aufschnappt und sich wundert, dass es immer noch oder schon wieder ums Angeln geht. Ein passionierter Angler mit fortgeschrittenen Kenntnissen kann ohne Probleme tagelang über die Finessen des Angelns referieren, bis ihm die Schönheit des Zielorts die Sprache verschlägt.

Geheimtipp für Angler

1008 Bewohner hat die kleine Gemeinde Flå im südlichen Hallingdal, wohin diese Reise geht. Von Oslo aus fährt man eine gute Stunde über den Riksvei 7 bis zur Statue eines Riesenbären, der auf den in der Nähe angelegten Wildpark hinweist, in dem die letzten wilden Bären leben.

Nachdem die Jugend von Flå lange Zeit in die Städte abgewandert ist, um Arbeit zu finden, kommt sie heute langsam wieder zurück. Dafür hat Olaf Thon gesorgt. Der 92-jährige Selfmade-Man und Hotelkettenbesitzer stammt selbst aus der Gegend und hat sie mit einigen gezielten Investitionen aufgewertet: Seit einigen Jahren gibt es den Bärenpark, das Jagd-und Fischereizentrum, einen Supermarkt und ein Hotel. Seitdem halten immer mehr Urlauber an auf ihrem Weg nach Norden, ins Fjordland oder ans Kap. Die Gegend um Flå ist im Aufwind, für Angler ist sie ein Geheimtipp.

Noch in der Abenddämmerung geht es gleich nach der Ankunft an die wenige Meter entfernt rauschende Hallingdalselva; der Angler in der Gruppe hält es nicht mehr aus, er ist der erste, der mit elegantem Schwung seinen Köder im kristallklaren Fluss auswirft - und zum ersten Mal an diesem Tage selig schweigt.

Allerdings nicht länger als fünf Minuten. Denn schon biegt sich die Angelrute von Michael Quack unter ihrer schweren Last. Strahlend zieht er den ersten Hecht aus dem Wasser. Man müsse die Wasseroberfläche lesen wie einen Krimi, sagt er, und eben schlauer sein als der Fisch. Augen von Mensch und Tier glänzen um die Wette, die fette Beute wird fotografiert, während Kjartan Sævre, ein Baum von einem Mann, ein Feuerchen in Gang bringt. Falls jemand seine Beute sofort verspeisen will, denn inzwischen haben auch alle anderen zur Rute gegriffen.

Der eine braucht eine Angelrute, der andere nicht

Kjartan Sævre ist der Geschäftsführer des nahe gelegenen Thon-Hotels. In seine Kochtöpfe kommen nur Seefische oder die Forellen aus den Bergseen. "Viel zu trocken", ist ihm das Hechtfleisch, auch sonst ist der schuppige Eindringling hier nicht so beliebt. Einst hatte ein beleidigter Angler, dem die Fischlizenz in der Gegend vorenthalten wurde, den Kampffisch ausgesetzt, der als erstes die Forellenbestände des Flusses vernichtete. Am Ufer tun es es die Freizeit-Angler Quack nach und freuen sich ihres Anglerglücks, dazu machen gegrillte Marshmellows die Runde.

Mann ohne Unterleib

Noch besser wird es an einem der stillen Bergseen ganz in der Nähe. Das Wasser ist eiskalt, und sogenannte Belly Boats werden den Herren überlassen, die Frauen wollen ihre Blase schonen. Die Männer schlüpfen in die Belly Boote, in denen man senkrecht im Wasser steht, geschützt von einem hüfthohen Neoprenanzug. Das sieht nicht nur lustig aus; es erlaubt auch die mähliche Fortbewegung im Wasser mittels Tretkraft, immer den Forellen hinterher. Die Frauen bevorzugen normale Schlauchboote, und los gehts, wieder raus mit der Angel.

Das einzig Störende an diesem herrlich gelegenen See ist der Gedanke, was, wenn tatsächlich einer anbeißt, und der Laie dem Gefangenen die Haken aus dem Maul wurschteln soll? Lieber nicht. Sich zurücklehnen und die Stille genießen, dafür ist diese Umgebung wie geschaffen. Auftanken. Durchatmen. Vom Ufer tönen leise die Glücksschreie der erfolgreichen Forellen- Angler.

Jeder Schuss ein Treffer

Aufregend wird es auf dieser Reise wieder schnell genug. Im Jagd- und Fischereizentrum von Flå können Besucher alles lernen, was sie für die Wildnis brauchen. Fischen und Jagen, sogar das Ausnehmen der Tiere. Dazu gehört auch das Schießen. Hier kann man es ohne Reue auf einer Video-Simulationswand trainieren und die ein oder andere Überraschung erleben, wenn die ungeübte Hand das bleischwere Gewehr hebt, und auf der Leinwand die Rebhühner leblos vom Himmel fallen. Jeder Schuss ein Treffer, wer hätte das gedacht? "Ein Naturtalent", staunt der fesche Jagdleiter. Die anderen Männer schweigen.

Im Bärenpark auf dem Berg gibt es schließlich ein Wiedersehen mit den Hechten. Für die wilden Bären, die hier in einem riesigen Naturgehege leben, sind sie nämlich eine tägliche Delikatesse, die genüsslich und vor staunendem Publikum zerlegt wird. Anders als die Elche von gegenüber. Nähert man sich ihnen mit einer Möhre im Mund, beißen sie zur großen Freude der Kinder mit sanfter Schnute das andere Ende ab. Solange der Vorrat reicht.


Service

Bärenpark Bjorneparken: www.bjorneparken.no/en

Jagd-und Fischereizentrum Flå: www.jaktogfiskesenteret.no

Hotel: www.thonhotels.com

Überfahrt Kiel-Oslo: www.colorline.de