Ausgabe 01/2015
Für mehr Mitmenschlichkeit
Ausgezeichnete - sie helfen Flüchtlingen, wo sie können
Wegducken geht nicht mehr, die Asylpolitik und die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern werden derzeit so intensiv diskutiert wie lange nicht mehr. In Bautzen gibt es seit 2013 ein Bündnis, das im Widerstand gegen die Naziaufmärsche in der Stadt entstand. Es nennt sich "Bautzen bleibt bunt" und vereint engagierte Leute aus Gewerkschaften, Parteien, der Stadtverwaltung, dem Kreissportbund, den Kirchen. Die Bündnispartner mischen sich ein und bringen sich ein, wenn es an Mitmenschlichkeit und an alltäglicher Arbeit in den Flüchtlingsheimen mangelt. Für ihre gute Arbeit wurden sie mit dem sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet. Die Fäden, die das Bündnis spannt, laufen im soziokulturellen Zentrum in Bautzen bei Manja Richter und ihren Kolleg/innen zusammen.
Ohne Ehrenamt geht nicht viel
Zu den ehrenamtlichen Mitstreitern in Bautzen gehören die drei ver.di-Kollegen Sven Scheidemantel und Roswitha und Karl-Heinz Biesold. Sie berichten, was dringend notwendig ist und warum sie sich engagieren. Sven Scheidemantel sitzt im Kreistag des Landkreises Bautzen, er ist der Organisations-Chef des Bündnisses, meldet die Versammlungen und Kundgebungen an, macht die Öffentlichkeitsarbeit und fängt auch sonst eine Menge ab. Nicht selten steckt er dafür Drohungen und Schmähbriefe der Nazis ein. Er stellt sich den Diskussionen. "Derzeit sind weltweit 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir können uns davor nicht verschließen. Im letzten Jahr hat die Bundesrepublik 200.000 Menschen aufgenommen, davon kamen 7,4 Prozent nach Sachsen", sagt Scheidemantel.
Weil es für die Kommunen immer schwerer wird, geeignete Unterkünfte zu finden und die Arbeit vor Ort zu gestalten, ist es dringend notwendig, dass die Bundesregierung die Finanzen für die Länder aufstockt, damit sie dann an die Kommunen weitergereicht werden. So argumentiert auch Scheidemantel, er schätzt die Unterdeckung auf 25 Prozent. "Wenn wir nicht mit unseren vielen Helfern ehrenamtlich in den Flüchtlingsheimen mitarbeiten würden, würde dort nicht viel passieren. Arbeiten dürfen die Flüchtlinge nicht, Deutsch lernen auch nicht. Die Menschen dort sind zum Nichtstun verdammt, bis die Behörden über ihren Status entscheiden. Und das dauert."
Also sind es wieder die Ehrenamtlichen, die in Bautzen und im Landkreis in die Heime gehen, selbst Deutschunterricht geben, eine soziale Betreuung anbieten, bei Behördengängen dabei sind, auch beim Arzt. Sie übernehmen sogar die Kinderbetreuung, organisieren Sportnachmittage, Theaterprojekte, einen Tag der offenen Tür für die Bewohner/innen im Umfeld und sie sorgen für Musikangebote.
Karl-Heinz Biesold, ver.di-Gewerkschaftssekretär im Unruhestand, und seine Frau Roswitha werben für Patenschaften. Sie selbst betreuen eine syrische Familie in Bautzen, die gerade mit ihrer Hilfe eine Wohnung in der Stadt bezogen hat. "Wir sehen oft, wie ablehnend viele den Flüchtlingen und Asylbewerbern entgegentreten. Vor allem in den von Nazis organisierten Kundgebungen. Da erleben wir in Bautzen schon einiges an Vorurteilen und Fremdenhass. Aber wenn es dann ganz konkret wird und unsere Patenfamilie die kleinen Dinge im Alltag braucht, helfen die Nachbarn mit. Das gibt uns Mut", sagt Karl-Heinz Biesold.
Karl-Heinz Biesold hat auch konkrete Forderungen an die Politik und die trägt er vor, wenn er in Diskussionen wie beispielsweise gerade mit der SPD geht. Er tritt ein für eine Änderung der behördlichen Regelungen. Sozialbetreuer müssen vor Ort sein. "Es kann nicht sein, dass die Menschen aus den Flüchtlingsunterkünften in Bautzen nach Kamenz fahren müssen, um dort einen Schein zu holen, der sie berechtigt, in Bautzen zum Arzt zu gehen."
Zu den Forderungen gehören auch die nach einer besseren politischen Bildung im Land, damit schon die Kinder lernen, wie Demokratie funktioniert, wie man mit Mitmenschlichkeit und Solidarität gegen Fremdenhass auftritt. Das ist ein Thema, für das sich Roswitha Biesold besonders engagiert. Sie geht in die Schulen und bietet in den dritten und vierten Klassen Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt an.
Für all die Aktivitäten steht das ausgezeichnete Bündnis "Bautzen bleibt bunt". Die Gewerkschafter unter ihnen rufen andere Bündnisse und Kolleg/innen auf: Geht in die zentralen Unterkünfte oder dezentralen Einrichtungen und übernehmt Patenschaften für die Menschen, die aus Kriegsgebieten wie Syrien, Irak oder Somalia zu uns kommen. Sie brauchen eure Hilfe.