Gewerkschafter/innen in Detroit protestieren gegen die Kündigung von Altverträgen zugunsten von Neueinstellungen zu Dumpingpreisen

Union Busting, also Gewerkschaften plattzumachen, ist ein lukratives Geschäft für Anwälte und Wirtschaftskanzleien, Medienberater und PR-Agenturen. Unternehmen heuern diese Dienstleister an, um Betriebsratswahlen zu verhindern, Gewerkschaften aus dem Betrieb rauszuhalten, Betriebsräte zu drangsalieren. Eine Welle, die aus den USA nach Deutschland geschwappt ist. Neuester Fall: Wie der US-amerikanische Verleiher Robert Half versucht, die Wahl eines Betriebsrats in Frankfurt am Main zu verhindern.

Kurz vor 15 Uhr im Gewerkschaftshaus Frankfurt. Es ist seine Stunde. Die Stunde, die der kleine Mann nutzt, um groß herauszukommen. Bei Robert Half in Frankfurt ist er Teamleiter. Und er will Karriere machen, sagen Kollegen. Nach der Betriebsversammlung hier im Gewerkschaftshaus werden ihn seine Chefs zum Dank in eine japanische Restaurantkette einladen.

Zunächst warten im Foyer Lohn- und Finanzbuchhalter, Assistentinnen, Betriebswirte und Controller. Wer die Anwesenheitsliste unterschreibt, darf in den Saal, um an der Betriebsratswahl teilzunehmen. Auf einmal wird der kleine Mann laut: "Sie wollen, dass wir hier was unterschreiben, und wir wissen nicht, was es ist." Lauter: "Wir werden nicht unterschreiben!" Erst als ihm der Chef mit einer Handbewegung andeutet, nun mal Ruhe, lässt er ab, stürmt in den Saal, platziert sich vorne aufs Podium, springt auf, reißt die Arme hoch und macht Victory-Zeichen. Die Smartphones klicken.

Weinende Männer in Meetings

Die US-amerikanische Firma Robert Half verleiht Fach- und Führungskräfte an Unternehmen, ist an der New Yorker Börse notiert, setzt weltweit mehr als vier Milliarden Dollar um und hat 400 Standorte, elf in Deutschland, einen davon in Frankfurt. Und dort soll ein Betriebsrat gewählt werden. So wollen das einige Beschäftigte und haben ver.di um Unterstützung gebeten. Weil sie finden, dass willkürlich abgemahnt wird und Gehälter ungerecht sind. Weil sie um ihre Jobs fürchten und nicht wollen, dass Menschen unter Druck gesetzt werden. "Ich habe gestandene Männer weinend aus Meetings rauslaufen sehen", sagt ein Robert-Half-Beschäftigter. Ein Betriebsrat soll endlich für Gerechtigkeit sorgen.

Kaum hing die Einladung zur Wahlversammlung in der Robert-Half-Niederlassung aus, zitierten die Chefs Einzelne zum Gespräch und hielten Meetings ab. "Man hat uns erklärt, dass ein Betriebsrat für ein amerikanisches Unternehmen ein schlechtes Signal in die USA senden würde und es zu Standortverlagerungen kommen könnte", berichtet ein Kollege. Seitdem kursiert die Angst.

Das hat Methode. Wenn Beschäftigte ihr Recht auf einen Betriebsrat wahrnehmen wollen, wird mit Betriebsschließung und Standortverlagerung gedroht, die vermeintlichen Anstifter werden herausgepickt, unter Druck gesetzt, versetzt, entlassen oder herausgekauft. "Ist ein Betriebsrat nicht mehr zu verhindern, dann versucht das Unternehmen, mit arbeitgebernahen Kandidaten die Kontrolle über das Gremium zu gewinnen", sagt Albrecht Kieser von work watch, einer Initiative, die Betriebsräte unterstützt und solche Fälle veröffentlicht.

So ist Robert Half auch in der Niederlassung Stuttgart vorgegangen, wo, anders als in Frankfurt, dem Sitz der Verwaltung, das Geschäft mit Leiharbeit gemacht wird. Und das sieht so aus: Ist wieder ein Kunde gewonnen, steht der erfolgreiche Mitarbeiter auf, geht durchs Großraumbüro und läutet die Schiffsglocke. Das ist das Signal für die anderen. Jeder unterbricht seine Arbeit, alle erheben sich, klatschen Beifall und rufen im Sprechchor "Go! Go! Go on!" Das passiert mehrmals am Tag - Geschäft abschließen, Glocke läuten, Applaus. Klar ist: Wer nicht bimmelt, ist ein Loser.

Der Klang der Familie

Robert Half bemäntelt sich als Familie. Wer ausschert, Kritik übt oder angeblich nicht genug leistet, den tadelt der Chef: "Du lebst das System nicht. Du bist nicht committed. Dir fehlt der Spirit." So einer wird ins Büro zitiert, allein mit drei Chefs, manchmal dauert das mehrere Stunden. Wer zu seiner Geburtstagsfeier nicht auch die Manager nach Hause einlädt oder das gemeinsame Cocktailtrinken am Abend ausschlägt, dem wird vorgeworfen, er untergrabe die Gruppenmoral.

"Ich lebe Robert Half, alles, was ich bin, bin ich durch Robert Half", das sei die Philosophie des Unternehmens, sagt ein Beschäftigter. Er klingt bitter. Die Philosophie wird von Montag sieben Uhr bis Sonntag gelebt, so lange dauert die Arbeitswoche. Im Schnitt flüchten Beschäftigte vor Ablauf eines Jahres aus dem Stuttgarter Standort.

Es ist jetzt zwei Jahre her, dass in Stuttgart ein Betriebsrat gewählt werden sollte. Die Einladung zur Versammlung ging raus. Unter den Einladern: Thomas Schmidt (Name geändert). Es war der Tag, an dem aus dem Top-Verkäufer, dem gefeierten "Rookie of the year" (Neuling des Jahres) ein Außenseiter wurde. Thomas Schmidt wurde neben den Niederlassungsleiter platziert, der ihm bis zur Toilette folgte, damit er niemanden anspricht. Keiner grüßte ihn am Morgen und sagte Tschüss am Abend.

Isolation, Ächtung, es ist der soziale Tod, sagt Albrecht Kieser von work watch. Solche Unternehmen könnten nur dann Höchstleistungen aus ihren Beschäftigten herauspressen, wenn sie sich den gesamten Menschen mitsamt Kopf, Kreativität und Identität untertan machten. Angst sei dort ein Instrument der Personalführung. Ein Betriebsrat bedrohe das Monopol der Macht und den absoluten Einfluss auf die Belegschaft. Deshalb setze ein solches Unternehmen alles daran, ihn zu verhindern.

Seit 2013 gibt es dennoch einen Betriebsrat in Stuttgart, der erste bei Robert Half und eine Rarität unter Leiharbeitsfirmen. Zwei Betriebsratsmitglieder sind von ver.di, sieben von der arbeitgebernahen Liste, darunter der Betriebsratsvorsitzende Karl-Joachim Brand, der flugs nach Stuttgart versetzt worden war und einst Regionalsprecher des Dachverbandes von Leiharbeitsfirmen war. Dennoch hat es sich für die Belegschaft gelohnt, um einen Betriebsrat zu kämpfen. Die Sonntagsarbeit ist abgeschafft, die Stimmung im Betrieb habe sich verbessert. Thomas Schmidt aber hat es nicht mehr ausgehalten und das Unternehmen verlassen. ver.di zeigte einen Robert-Half-Manager wegen Behinderung der Betriebsratswahl an, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Nun wollen auch einige Frankfurter Robert-Half-Mitarbeiter einen Betriebsrat, wie in Stuttgart. Dazu muss der Wahlvorstand gewählt werden. Der ist notwendig, um die Betriebsratswahl zu bewerkstelligen. Die Prozedur ist kompliziert, die Wahlordnung genauso, aber so steht es im Betriebsverfassungsgesetz.

Die Chefs wollen in den Saal im Gewerkschaftshaus, was sie nicht dürfen. Denn leitende Angestellte sind per Gesetz von Wahlversammlungen ausgeschlossen. Während sie vor dem Saal die ver.di-Sekretäre in Debatten verwickeln, hat der kleine Mann drinnen seinen großen Auftritt. "Wer von euch will, dass ich Versammlungsleiter bin?" Die Mehrheit. "Wer von euch ist gegen einen Betriebsrat?" Die Mehrheit. Der kleine Mann springt vor der Menge herum. "Wer will, dass die Männer von ver.di von der Versammlung ausgeschlossen werden?" Die Mehrheit. Keine dieser Abstimmungen ist vor dem Gesetz gültig.

"Das ist eine Welle"

"Dass ich mir das von so einem Typen gefallen lassen muss", sagt hinterher eine Robert-Half-Beschäftigte. ver.di schloss die Versammlung, ein Wahlvorstand konnte nicht gewählt werden, die Gewerkschaft hat beim Arbeitsgericht beantragt, den Wahlvorstand gerichtlich einzusetzen. Robert Half erklärt, dass die Rechte und das Wohlbefinden der Mitarbeiter das wichtigste Anliegen des Unternehmens seien und die Firma stets rechtmäßig handle. "Das sind keine Einzelfälle", sagt Albrecht Kieser. Gewerkschaften müssten erkennen, dass in einem erheblichen Teil der Betriebe keine Sozialpartnerschaft existiere. "Das ist eine Welle, die durchs Land geht."

www.work-watch.de

www.arbeitsunrecht.de