Frankfurter Rundschau, 26. Februar 2015

Kann sein, dass es wieder das übliche Hin und Her zwischen den Tarifparteien gibt: Ver.di weiß, dass die Arbeitgeber nicht alle Forderungen erfüllen können. Jene werden über leere Kassen klagen. Die Gewerkschaft wird versuchen, ihren Forderungen mit Warnstreiks Nachdruck zu verleihen und schließlich wird man sich auf den einen oder anderen Kompromiss verständigen, der es in der Regel beiden Tarifparteien ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Das aber wäre eine verpasste Chance. Die so oft zitierte Tarifautonomie ist nicht alles auf der Welt. Verdi hat die Bevölkerung aufgerufen, über den Wert sozialer Arbeit neu nachzudenken, sich einzumischen. Ohne Sozial- und Erziehungsarbeit läuft gar nichts, sie ist der Kitt unserer Gesellschaft - und sie steht vor neuen Herausforderungen. (...) Die Sozial- und Erziehungsdienste müssen also kräftig ausgebaut werden. Wer das alles bezahlen soll? Diese Frage können gewiss nicht die kommunalen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften lösen - da ist die gesamte Gesellschaft gefragt.


Die Resthandwerker

Süddeutsche Zeitung, 21. Februar 2015

Kompliziert ist die Länder-Tarifrunde auch, und rivalisierende Gewerkschaften gibt es dort ebenfalls. Kompliziert ist diese Runde, weil die Gewerkschaften zwar nur für 800.000 Arbeitnehmer verhandeln, aber immer hoffen, dass die Landtage den Abschluss anschließend für 1,2 Millionen Beamte übernehmen. (...) Es könnte der Moment kommen, an dem Verdi-Chef Bsirske seinen Arbeitern und Angestellten erklären muss, dass mehr leider nicht herauszuholen war, weil die Länder andernfalls mit der Alimentation ihrer Beamten überfordert wären. (Exakt so wird er es natürlich auf keinen Fall formulieren. Er wird sich irgendeinen Wortkleister zurechtlegen.) Zwischen Verdi und dem Beamtenbund (dbb) besteht somit ein Interessenkonflikt, der sich kaum auflösen lässt. Was aber Bsirske und den dbb-Vorsitzenden Klaus Dauderstädt eint, ist erstens das Wissen darum; zweitens die Einsicht, dass es niemandem etwas bringt, wenn sie sich deshalb untereinander bekriegen, und drittens das wechselseitige Vertrauen, dass es sich beim jeweils anderen um einen rechtschaffenen Gewerkschafter handelt. Der Rest ist Handwerk.


Das Muskelspiel

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 15. Februar 2015

Verdi-Chef Bsirske ist dafür bekannt, dass er gern die Muskeln spielen lässt. Ob im Öffentlichen Dienst, bei Amazon oder der Post greift der Grüne gern in die Kiste der tarifpolitischen Folterinstrumente, um die Konzerne zu quälen. Dass es ihm dabei nicht allein um das Wohl der Beschäftigten geht, sondern auch um das Werben neuer Mitglieder, versteht sich von selbst. Damit ist wohl auch zu erklären, dass der mächtige Verdi-Vorsitzende nun gegen streikende Piloten austeilt und das Unternehmen Lufthansa in Schutz nimmt. Die gut verdienenden Flugzeug-Lenker sind nicht in seiner DGB-Gewerkschaft organisiert, sondern in ihrer eigenen Vereinigung Cockpit.


Die Wilderer

Handelsblatt, 6. März 2015

Allerdings war der Betriebsfrieden in der Vergangenheit vor allem deshalb gewahrt, weil Gewerkschaften Zuständigkeiten für einzelne Berufsgruppen untereinander abgesprochen hatten (...) Das funktioniert aber nur, solange der Wille zur Kooperation da ist. Bei der Eisenbahnergewerkschaft GDL und der konkurrierenden EVG ist er bereits nicht mehr gegeben. Ob Verdi sich dauerhaft an die Absprache hält, nicht im Cockpit-Revier bei den Piloten zu wildern oder dem Marburger Bund bei den Ärzten keine Konkurrenz zu machen, ist ebenso fraglich. In solchen Fällen würde aus Nahles' Einladung zur Kooperation schnell eine vom Gesetzgeber verordnete Solidarität.