Wir sind mit dem Radel da

Ergebnis der Tarifverhandlungen: Mehr Geld. Und weiterhin die 38,5-Stunden-Woche

Von Silke Leuckfeld

Das Signal der Beschäftigten an die Deutsche Post AG war eindeutig: 93,1 Prozent der ver.di-Mitglieder stimmten bei der Urabstimmung für Streik. Das klare Votum wirkte. Ab 2. Mai sollte unbefristet gestreikt werden, zwei Tage davor, am 30. April, einigten sich ver.di und die Deutsche Post AG auf einen neuen Tarifvertrag für die 130000 Beschäftigten, für die der Tarif gilt. Danach wird auch künftig nicht länger gearbeitet; die 38,5-Stunden-Woche bleibt sowohl für die Tarifkräfte als auch für die 55000 Beamten unbefristet erhalten. Die Gehälter werden ab dem 1. November 2008 um vier Prozent und ab dem 1. Dezember 2009 um weitere drei Prozent erhöht.

Zusätzlich ist für die Monate Mai bis Oktober 2008 eine Einmalzahlung von 200 Euro für alle Vollzeitbeschäftigten vereinbart worden. Der Vertrag gilt 26 Monate, vom 1. Mai 2008 bis 30. Juni 2010. Die Postzulage der Beamten wird ab 1. August 2008 wieder gezahlt. Die Gewerkschaft setzt ihrerseits Rundungsbestimmungen bei Überstunden und Zeitzuschläge für Arbeit an freien Tagen bis 30. Juni 2010 aus. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben weiter - bis zum 30. Juni 2011 - ausgeschlossen.

Verzicht auf Kurzpausen

Im Gegenzug verzichtet die Gewerkschaft auf einen Teil der bisher vereinbarten Kurzpausen für die Mitarbeiter. "Wie sich das auswirkt, wird sich erst zeigen", sagt Susanne Kiesel, die im Briefzentrum Hamburg-Zentrum arbeitet. Ihre Arbeit ist körperlich sehr anstrengend, die Pausen sind deshalb wichtig. Dennoch seien ihre Kolleg/innen weitgehend zufrieden mit dem Abschluss. "Die meisten hatten befürchtet, dass die Arbeitszeit verlängert wird. Dass das verhindert wurde, darüber sind alle froh, auch die Beamten", sagt Susanne Kiesel. In ihrem Briefzentrum arbeiten viele Teilzeitbeschäftigte, die befürchtet hatten, ihre Stundenzahl werde gleich bleiben, aber dafür werde der Lohn gekürzt.

Zufrieden mit dem Abschluss ist auch ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis: "Mit über 93 Prozent streikbereiten Beschäftigten im Rücken konnten wir ein sehr akzeptables Ergebnis erzielen." ver.di hatte davor gewarnt, durch die vom Arbeitgeber geforderte Arbeitszeitverlängerung würden bei der Post 12500 Arbeitsplätze verlorengehen.

Weit über 70 Prozent aller Postler sind bei ver.di organisiert. An den Warnstreiks am 24. April hatten sich in sieben Bundesländern rund 3700 Beschäftigte beteiligt, 3,6 Millionen Briefe und 150000 Pakete wurden nicht zugestellt.

Abstimmungslokal auf Rädern

Bei den Arbeitgebern herrschte während der Urabstimmung offensichtlich Nervosität. Vor dem Postverteilzentrum der Niederlassung Brief Berlin-Zentrum hatte ver.di ein Wohnmobil als fahrendes Abstimmungslokal geparkt. Die Chefs teilten den Beschäftigten per Durchsage mit, sie dürften das Gebäude nicht verlassen, um ihre Stimme abzugeben. Ein Vorgesetzter hielt gar mit seinem Privatwagen neben dem Wohnmobil und beschimpfte die Gewerkschafter durch das offene Fenster.

"Die Kollegen durften nur vor und nach dem Dienst ihre Stimme abgeben", sagt Norbert Kumm, Betriebsratsmitglied und Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe. Doch die Einschüchterungsversuche blieben erfolglos. Die Beteiligung an der Urabstimmung war sehr gut. Norbert Kumm spricht von einer hohen Zustimmung für die Tarifeinigung, obwohl der Verzicht auf die Kurzpausen auch in seinem Betrieb heftig diskutiert wurde.

Die ver.di-Mitglieder entschieden nach Redaktionsschluss in einer zweiten Abstimmung vom 13. bis 15. Mai endgültig über die Annahme des Tarifergebnisses.