Sabine Reiner leitet den Bereich Wirtschaftspolitik bei ver.di

Nach dem Urteil zur Erbschaftssteuer bringen sich die Lobbyisten in Position. Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 die übermäßige Begünstigung von Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt. Bisher konnten ganze Unternehmen oder Aktienpakete im Wert von vielen Millionen oder gar Milliarden steuerfrei vererbt bzw. verschenkt werden. Dass diese Regeln keinen Bestand haben würden, war lang vor dem Urteil klar. Deshalb sind Schenkungen in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Die Besitzer von großen Betriebsvermögen wollten die Begünstigungen ausnutzen, solange es noch ging. Ohne Steuererlass hätten die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer allein 2012 um über zehn Milliarden Euro höher ausfallen müssen.

Grundsätzlich erlaubt das Verfassungsgericht Verschonungsregeln, sie dürfen aber nicht unverhältnismäßig sein. Außerdem muss bei großen Erbschaften oder Schenkungen geprüft werden, ob es für die Erben überhaupt Schwierigkeiten macht, die Steuer zu zahlen.

In ersten Eckpunkten für eine Neuregelung schlägt das Finanzministerium nun unter anderem vor, dass es für Erben von Betriebsvermögen von mehr als 20 Millionen Euro eine individuelle Bedürfnisprüfung geben muss. Bei niedrigeren Beträgen wäre Steuerverschonung wie bisher möglich, wenn Arbeitsplätze erhalten werden. Unternehmerverbänden ist diese Grenze viel zu niedrig. Sie wollen sie bei 100 Millionen Euro. Außerdem gehen sie auf die Barrikaden, weil bereits vorhandenes Vermögen einbezogen würde. Das sagt alles: Wer bereits Millionen an Privatvermögen hat und Millionen dazu erbt, will sich trotzdem vor der Erbschaftssteuer drücken. Mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen hat das nichts zu tun. Superreiche wollen schlicht keine Steuern zahlen! Mit Recht haben drei Verfassungsrichter ergänzend formuliert: Die Erbschaftssteuer "ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert".