Ulrich Janßen ist Betriebsrats- Vorsitzender der Nordwest-Zeitung in Oldenburg und ehrenamtlich Vorsitzender der dju in ver.di

Nicht immer sind Fehlleistungen von Medien so offenkundig wie die abstoßende Kampagne der Bild-Zeitung gegen "die Griechen". Bosheit und Überheblichkeit mögen taugen als Geschäftsmodell, schlimm genug - Journalismus ist das nicht. Fehler, und nicht nur harmlose, passieren aber auch im Journalismus. Kein Grund also für Selbstgefälligkeit in Redaktionen. Und ein guter Grund für die Beteiligung der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di am Deutschen Presserat, der ethische Standards zu der Frage setzt, was Presse darf.

Grund genug haben Journalistinnen und Journalisten, ihre Dienstleistung selbstbewusst zu erbringen und sich zu wehren gegen Übergriffe, die sie derzeit von vielen Seiten erleiden. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die über aktuelle Entwicklungen in der Republik berichten wollen, werden geradezu in die Zange genommen: "-gida"-Demonstranten skandieren "Lügenpresse", manche werden handgreiflich, derweil Polizisten weggucken. Bei Demonstrationen Staatsgewalt gegen Fotografen, an Redaktionsräumen Drohparolen von Nazis, im Netz fingierte Todesanzeigen mit den Namen von Kollegen, in Hamburg ein Brandanschlag auf die Morgenpost, in Dortmund ein Überfall auf einen freien Journalisten, der über die rechte Szene berichtet. Ziel solcher Attacken: Journalist/innen einschüchtern, Berichterstattung verhindern. Der Ton gegen Redaktionen wird rauer, vor allem im Netz, wo Trolle Hassbotschaften absetzen, aber - womöglich dadurch ermuntert - auch in Zuschauer-, Hörer- und Leserpost.

Dabei erleichtert das Internet den Redaktionen ja den Dialog mit dem Publikum - mit allen Vorteilen, die so ein Austausch auch für beide Seiten haben kann: für die einen, weil sie sich direkt einbringen können, für die anderen, weil sie ihre Leserinnen und Leser besser kennenlernen. Die dafür notwendige Netzaktivität der Medienhäuser bringt den Redaktionen zusätzliche Aufgaben, die eigentlich mehr Personal erfordern. Und Qualifizierung. Aber statt hier zukunftsorientiert zu investieren, tritt das Management vielfach hart auf die Kostenbremse, ganz so, als wären Personalabbau und Lohndumping unternehmerisches Handeln. Der Trend zum Kürzen ist in Verlagen ebenso in Mode wie in Sendern. Mehr Aufgaben, weniger Personal - die aus vielen Wirtschaftszweigen bekannten Versuche, Arbeit zu verdichten, machen vor Redaktionen nicht halt. Der Druck steigt. Und parallel dazu versuchen Arbeitgeber, Gehälter und Honorare zu drücken, die Altersversorgung zu kappen und Tarife zu umgehen. Seit Jahren wehren Streiks der Zeitungsjournalisten Schlimmeres ab.

Den Kampf gegen die Kürzungslust der Arbeitgeber führen wir in dem Bewusstsein, dass er allen dient. Wir alle brauchen einen recherchierenden, informativen Journalismus, der uns die Beteiligung an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung ermöglicht, der offenlegt, welche Kräfte in Politik und Wirtschaft wirken, in kommunalen Zusammenhängen und globalen, auch hinter den Kulissen. In einer demokratischen Gesellschaft liefern Journalisten kein Luxusgut, sondern ein Grundnahrungsmittel. Das verbindet sie mit vielen anderen Berufen. Viele Verleger und Medienmanager vernachlässigen das Streben nach diesem Ziel oder haben sich schon ganz davon verabschiedet. Gleichwohl berufen sie sich gern auf das Wirken einer unabhängigen Presse im demokratischen Staat - nicht aus Sorge um das Grundrecht der Pressefreiheit. Die wird geheuchelt, wenn sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Presseprodukte verteidigen oder den Mindestlohn für Zeitungszusteller verhindern wollen. In Wahrheit sind sie Lobbyisten für wirtschaftliche Privilegien ihrer Unternehmen. Wenn es um gute und gut bezahlte Arbeit in den Redaktionen geht, entlarvt sich ihr vermeintliches publizistisches Engagement als Schein-Eifer.

Das gilt auch für die Qualität der Aus- und Weiterbildung. Derweil viele Zeitungschefs und vor allem ihre Verhandler so tun, als seien Redakteure und freie Journalisten unlustig zu lernen, ist aufgrund der Stellenpolitik in den Redaktionen das Personal oft dermaßen knapp, dass gar kein Raum für Weiterbildung ist. Zu den Übergriffen auf die Pressefreiheit von außen gesellt sich in einem schleichenden Prozess die Gefährdung der Pressefreiheit von innen. Denn gründliche Recherche und journalistische Sorgfalt erfordern ausreichend Personal und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Das fordert unsere gewerkschaftliche Aktivität immer wieder aufs Neue heraus, auch vor dem Hintergrund der Terroranschläge von Paris und Kopenhagen, die auf das Herz von Presse- und Meinungsfreiheit zielten, und mit Blick auf die Bedrohungen und Diffamierungen, die unsere Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen nicht erst seitdem auch hierzulande erfahren.

In einer demokratischen Gesellschaft liefern Journalisten kein Luxusgut, sondern ein Grundnahrungsmittel