Mehr als 2000 Beschäftigte streikten am 7. April in Hamburg

Beraten, erziehen, betreuen, pflegen, fördern - und noch vieles mehr. Die Aufgaben im Sozial- und Erziehungsdienst sind vielfältig, aber eins haben sie alle gemeinsam: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Tagtäglich geben die Beschäftigten dort ihr Bestes, damit unsere Gesellschaft eine Gemeinschaft bleibt. Wenn die Politik zudem die Qualitätsstandards anhebt, muss sie auch bereit sein, besser zu bezahlen. Und das fordern die Beschäftigten jetzt, verständlicherweise. Es geht bei den derzeitigen Verhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst um die Aufwertung von sozialen Berufen und den Anstoß einer gesellschaftlichen Debatte darüber, wie soziale Berufe in Zukunft gesellschaftlich eingeordnet werden sollen.

Nicht einfach ein Job

In den vergangenen Jahren ist die Kinderbetreuung in Deutschland erheblich ausgebaut worden. Und je mehr das geschieht, umso mehr wird von denen verlangt, die diese Betreuung übernehmen: Sie sollen, wenn die Kinder schon auf die Eltern verzichten, besser sein als diese. Sie sollen stets gelassen und fröhlich sein, sie sollen Beurteilungsbögen führen, Förderpläne ausarbeiten und Eltern-Kind-Gespräche leiten, als wären sie Angestellte der Personalabteilung. Sie sollen darauf achten, dass jedes Kind nach dem Mittagessen die Zähne putzt, kein Muslim Schweinefleisch isst und kein Vegetarier knochenmehlhaltige Gummibärchen. Erzieher/innen sollen Auseinandersetzungen zwischen Eltern moderieren können und sie sollen, vor allem, ihre Arbeit mit Leidenschaft tun, denn wer mit Kindern arbeitet, macht ja nicht einfach einen Job.

Nils Asmussen (links), Gabriele Marquardt (Mitte) und Moana Kahrmann (rechts)

Nils Asmussen (30), Erzieher im Hamburger Waldkindergarten, sagt: "Ich liebe es, die Kinder beim Entdecken und Erleben des Alltäglichen zu begleiten und es für sie begreifbarer zu machen". Aber, fügt er hinzu, "es gibt im Arbeitsalltag sehr wenig Raum, um auf die Probleme, Themen und Besonderheiten der Kinder einzugehen." Oftmals sei es nur möglich, von einem Kind zum anderen zu hetzen, das Wichtigste zu klären und die Büroarbeit zu erledigen. Falle dann noch jemand durch Krankheit oder Urlaub aus, gebe es keine Vertretung. "Stattdessen werden zwei Gruppen zusammengelegt oder wenn möglich, Eltern zur Unterstützung eingebunden," sagt Asmussen. "Das macht nicht nur unzufrieden, das geht auch mir als jungem Menschen an die Substanz."

Wo viele Menschen wegschauen, beginnt ihr Job: Soziale Dienste

Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/innen sind immer dann da, wenn Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen ihre Probleme über den Kopf wachsen. Gabriele Marquardt, 59 Jahre alt und von Beruf Sozialpädagogin in der ambulanten Sozialpsychiatrie (ASP), sagt: "Die Sparpolitik des Hamburger Senats macht sich insbesondere in gestiegenen Arbeitsanforderungen bei reduziertem Personalschlüssel und absehbar veränderter Personalstruktur bemerkbar." Das heiße: "Erhöhung der Klientenzahl pro Mitarbeiter/in, sozialräumliche Öffnung mit dem Anspruch, zusätzliche offene, niederschwellige Angebote vorzuhalten, ein Druck, chronisch schwer erkrankte Menschen in Gruppenangebote, am liebsten verstärkt in den Sozialraum hinein zu vermitteln und vieles mehr." In der Konsequenz führt die Sparpolitik des Hamburger Senats somit dazu, dass die Qualität der Betreuungsleistung perspektivisch schrittweise abnehmen wird und der Druck auf die Beschäftigten weiter steigt. Ob die zuletzt geforderte Inklusion so gelingen kann, ist mehr als fraglich.

Man weiß nie, was einen am Tag erwartet

Die Entscheidung für den Erzieher/innenberuf hat die 24-jährige Moana Kahrmann bis jetzt nicht bereut. "Die Arbeit ist spannend und abwechslungsreich, man weiß nie genau, was einen am Tag erwartet." Einen Haken hat das Ganze jedoch: Die Ausbildung wird nicht vergütet. "Viele meiner Mitschülerinnen müssen neben 35 Ausbildungsstunden wöchentlich zusätzlich arbeiten, um sich über Wasser zu halten. Ich denke, dass die fehlende Ausbildungsvergütung und die geringe Bezahlung - sei es in der Pflege, Assistenz oder eben in der Erziehung - sich in eine Politik einreiht, die den sozialen Sektor immer wieder vernachlässigt. Und das ist ein unzumutbarer Zustand."

Unter anderem auch deshalb haben sich Schüler/innen der Hamburger Fachschulen für Sozialpädagogik zusammengeschlossen, um für bessere Ausbildungsbedingungen und vor allem für eine Ausbildungsvergütung zu kämpfen. "Es ist an der Zeit, dass auf politischer Ebene gehandelt wird und die Bezahlung der sozialen Berufe sich an dem Wert ihrer Arbeit für die Gesellschaft, in der wir leben, orientiert. Auch wenn mir bewusst ist, dass dieser Wert unbezahlbar ist, sollten Menschen, die diesen Beruf ausüben, sich zumindest niemals Gedanken darüber machen müssen, wie sie sich im Alltag über Wasser halten können oder wie sie ihre Rente finanzieren sollen."

Die Beispiele zeigen: Die Anforderungen an die Sozial- und Erziehungsberufe sind stark gestiegen - im Gegensatz zu den Entgelten. Mehr Wertschätzung ist es daher, was die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsberufen einfordern - und Wertschätzung drückt sich auch in der Bezahlung aus. ver.di will eine Verbesserung der Eingruppierung der Beschäftigten, sodass eine Erhöhung der Einkommen von durchschnittlich zehn Prozent wirksam würde. Die Arbeitgeber erkennen zwar die Bedeutung und die Unverzichtbarkeit der Arbeit im Sozial- und Erziehungsdienst an, sehen aber dennoch keinen Grund für eine bessere Bezahlung. Ohne den weiteren massiven Druck der Beschäftigten werden die Arbeitgeber nicht zu einer Aufwertung bereit sein. Die Beschäftigten streiken dafür, und sowohl Politiker als auch Eltern haben Verständnis dafür. Viele Politiker, Eltern und Gewerkschafter sind sich einig: Sie sollen mehr verdienen. Jetzt müssen sich nur noch die Arbeitgeber bewegen.