von Peter Steiniger

Iran: Demonstranten unerwünscht. Entsprechend hart reagiert die Staatsmacht auch auf Gewerkschafter

Ende April wurden im Iran Aktivisten der Teheraner Busfahrergewerkschaft Sherkat-e Vahed willkürlich verhaftet und als politische Häftlinge ins Evin-Gefängnis gesperrt. Den Behörden missfiel offenbar, dass die Gewerkschafter planten, am 1. Mai Blumen an ihre Kollegen zu verteilen. Zurzeit ist die Website der Gewerkschaft nicht erreichbar - wer auch immer dafür gesorgt hat. In der Islamischen Republik sind die Anhänger freier Gewerkschaften häufig Repressionen ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, Solidarität mit ihnen zu üben. Gegen die Verfolgung von Davood Razavi und Ebrahim Madadi von der Busfahrer-Gewerkschaft sowie von Mahmoud Salehi und Osman Ismaili, die einem Koordinationskomitee für Gewerkschaftsgründungen angehören, kann man im Internet auf der Kampagnenseite von LabourStart Position beziehen.

Weltweite Methoden

Angriffe wie dieser auf die iranischen Gewerkschafter treffen meist wenige, doch gemeint sind stets alle. Einschüchterung und Verfolgung von Aktivisten, die sich für das Recht der Arbeitenden einsetzen, ihre Interessen organisiert zu vertreten, sind weltweit anzutreffen. Auch hierzulande sind solche Methoden bekannt. Da kann die Gründung eines Betriebsrates zum Hindernislauf werden, denn ein solches Gremium gilt - zu Recht - als Störfaktor beim Unterlaufen von arbeitsrechtlichen Standards. Gewerkschaftsfeindliche Methoden sind vielfältig - vom politischen Lobbyismus unternehmernaher Stiftungen über die Förderung "gelber" Gewerkschaften bis zum systematisch betriebenen Union-Busting. In nicht wenigen Ländern wird auch vor staatlicher Willkür und brutaler Unterdrückung nicht halt gemacht.

So leben Aktivisten in Kolumbien seit langem gefährlich. Mindestens 15 Nestlé-Mitarbeiter, die sich in der Lebensmittel-Gewerkschaft Sinaltrainal engagierten, wurden in den vergangenen Jahren von rechtsgerichteten Paramilitärs ermordet. Auch bei Coca Cola sind deren Mitglieder Repressionen ausgesetzt. Im April entschlossen sich fünf Arbeiter zu einem einwöchigen Hungerstreik, um damit den Beschwerden der Belegschaft wegen schlechter Arbeitsbedingungen und mangelnder Sicherheit Nachdruck zu verleihen. Zwölf Arbeiter des Konzerns wurden bereits Opfer von Attentaten.

Grenzüberschreitende Bewegung

Die Bekämpfung von Gewerkschaften, betrieblichen Interessenvertretungen und Aktivisten ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst. Bei der Verweigerung von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten sind die USA heute führend in der westlichen Welt. Mit dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den Vereinigten Staaten ist auch der Export unsozialer Praktiken zu befürchten.

Zu den sozialen Menschenrechten, die die UNO mit ihrer Internationalen Arbeitsorganisation ILO hochhält, gehören das Recht auf kollektive Tarifverträge und die Vereinigungsfreiheit der Beschäftigten. Klare Worte. Doch immer häufiger bleiben sie das auch: Worte. Die Globalisierung unter neoliberalen Vorzeichen verwandelt Länder in Standorte, die gegeneinander ausgespielt werden. Konkurrierende Multis produzieren am billigsten dort, wo Arbeitsrechte und Umwelt wenig wert sind, Protest und Widerstand der Arbeitenden klein gehalten werden. In einer Welt, in der Produktion und Vertrieb international vernetzt sind, muss auch der Kampf für gute Arbeit Grenzen überschreiten.

Diesem Ziel hat sich auch die wachsende LabourStart-Bewegung verpflichtet. 1998 wurde sie in London von dem Autor Eric Lee initiiert. Heute ist sie in mehr als 70 Ländern vertreten. Ihre Aktivisten und Korrespondenten nutzen vor allem die Möglichkeiten des Internets zum Austausch von Informationen, zur Organisation und zur Initiierung von Kampagnen für alle, die mundtot gemacht werden sollen. Aktuell auch für die inhaftierten Gewerkschafter im Iran.

Gewerkschafter in Ungarn entlassen

Eine weitere derzeit laufende Aktion gilt der Unterstützung von Laszlo Benko aus Györ in Ungarn. Mehr als 20 Jahre arbeitete er als Fahrer bei der Tochtergesellschaft des österreichischen Logistikunternehmens Hödlmayr International. Bis zur Gründung einer lokalen Organisation der Gewerkschaft multinationaler Unternehmen (MCDSz), deren Vorsitzender Benko ist, tat er das auch immer ohne Beanstandungen. Doch die Verhandlungen über das Tarifsystem und die Arbeitsbedingungen ließ das Logistikunternehmen Hödlmayr ins Leere laufen. Danach wurde Laszlo Benko entlassen. Das Unternehmen beteuert aber, "niemals einen Mitarbeiter wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten gekündigt" zu haben. Für die Beendigung des Dienstverhältnisses von Benko hätten "schwerwiegende Gründe" vorgelegen. Wegen "diverser Vorkommnisse (Überschreitung der Lenkzeiten, permanente Konflikte mit Kunden des Unternehmens etc.)" habe man Benko in den vergangenen zwei Jahren viermal abgemahnt. Das habe, erklärt das Unternehmen, "leider keinerlei Wirkung auf sein Verhalten gezeigt, sodass wir uns letztendlich von diesem Mitarbeiter trennen mussten".

Die Gewerkschaft MCDSz schätzt das anders ein. Sie sieht in der Entlassung Benkos einen Akt der Einschüchterung. Gemeinsam mit LabourStart und allen Unterstützer/innen der Kampagne fordert MCDSz, Laszlo Benko seinen Job zurückzugeben und im Unternehmen die Verhandlungen über faire Löhne wieder aufzunehmen. Ende Mai haben Gewerkschafter der Botschaft Österreichs in Budapest ein Schreiben übergeben, in dem sie gegen die gewerkschaftsfeindlichen Praktiken bei Hödlmayr protestieren.

Reportage Seiten 12+13

www.labourstart.org

www.labourstartcampaigns.net