Mario Klepp

ver.di und die türkische Verkehrsgewerkschaft TÜMTIS kooperieren eng miteinander. TÜMTIS unterstützt den Tarifkampf bei der Deutschen Post AG, zuvor war ver.di solidarisch im Konflikt mit der DHL Türkei. Mario Klepp, Bereichsleiter im ver.di-Fachbereich Postdienste, Spedition und Logistik, war beim TÜMTIS-Kongress in Istanbul.

ver.di publik - TÜMTIS hat mittlerweile Erfahrung in Konflikten mit internationalen Unternehmen.

Mario Klepp - Ja, ich erinnere nur an die Auseinandersetzungen, die TÜMTIS mit UPS und DHL auszufechten hatte. In dem zweijährigen Ringen um einen Tarifvertrag ging DHL Türkei mit harten Bandagen vor: Beschäftigte wurden eingeschüchtert, aktive Gewerkschafter wurden entlassen. Es kam zu monatelangen Streiks. Um überhaupt verhandeln zu können, musste TÜMTIS nachweisen, dass über 40 Prozent der DHL-Beschäftigten in der Gewerkschaft organisiert sind. ver.di hat diesen Kampf mit Unterschriften, Spenden und Solidaritätsbesuchen bei den Streikenden unterstützt.

ver.di publik - Wie sah das Ergebnis aus?

Klepp - 2014 wurde ein großartiger Tarifabschluss erreicht, mit Lohnsteigerungen bis zu 40 Prozent. Entlassene mussten wieder eingestellt werden. 750 Beschäftigte aus Subunternehmen wurden von DHL übernommen, der Einsatz von Subfirmen wurde generell geregelt. Und noch ein Erfolg: Das zuständige türkische Ministerium hat TÜMTIS als Tarifpartei anerkannt.

ver.di publik - Worum geht es in dem aktuellen Konflikt in der Türkei, an dem erneut ein deutsches Unternehmen beteiligt ist?

Klepp - Um den TÜVtürk. Das Prüfunternehmen wurde nach deutschem Vorbild in der Türkei aufgebaut, der TÜV Süd ist daran beteiligt. TÜVtürk hat bis 2029 das Monopol auf alle Fahrzeuguntersuchungen in der Türkei. Für die landesweit 3000 Beschäftigten will die Gewerkschaft nun ebenfalls einen Tarifvertrag verhandeln. Das Konsortium ist dagegen und agiert ähnlich wie DHL.

ver.di publik - Nämlich wie?

Klepp - Antigewerkschaftlich und aggressiv. Beschäftigte werden unter Druck gesetzt, nur ja nicht einzutreten. 51 aktive Gewerkschafter sind schon entlassen worden, andere werden willkürlich an entfernte Standorte versetzt.

ver.di publik - Was kann ver.di tun?

Klepp - Wir haben uns sofort solidarisiert. Auch die Internationale Transportarbeiter-Föderation ITF startet eine Protestaktion. Sich gewerkschaftlich zu organisieren und Tarifverträge auszuhandeln - das sind demokratische Grundrechte. Dass auch international agierende deutsche Unternehmen die respektieren müssen, ist für ver.di klar. Gemeinsam mit dem ver.di-Fachbereich Besondere Dienstleistungen werden wir versuchen, in der deutschen Muttergesellschaft und über den Aufsichtsrat des TÜV Süd Einfluss zu nehmen.

ver.di publik - Wenn es um demokratische Grundrechte und Mindeststandards geht, geraten auch wieder internationale Aktivitäten der Deutschen Post DHL in den Fokus. Was genau geschieht da?

Klepp - DHL will in Indien expandieren und neue Märkte erschließen, allerdings mit einer Profitstrategie, die vor Ort Lohn- und Sozialdumping bedeutet. Proteste dagegen werden verhindert, Beschäftigte mundtot gemacht. Es laufen schon mehrere Gerichtsverfahren. Die Delegierten unserer ver.di-Fachbereichskonferenz haben sich mit den indischen Gewerkschaften solidarisiert, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Dass das Demokratieverständnis im Konzern Deutsche Post DHL immer mehr schwindet, können wir weder hierzulande noch irgendwo auf der Welt hinnehmen. Zur finanziellen Unterstützung der Gewerkschaften bei den Auseinandersetzungen in Indien hat die ITF ein Spendenkonto eingerichtet.

Interview: Helma Nehrlich

Solidaritätsfonds der ITF für DHL Indien: IBAN GB89 MIDL 4005 1558 6403 12

SWIFT-Code: MIDLBG22 – Kennwort DHL-00001

"Dass das Demokratieverständnis im Konzern Deutsche Post DHL immer mehr schwindet, können wir weder hierzulande noch irgendwo auf der Welt hinnehmen"