Sozialarbeiter und Erzieherinnen machten am 11. Mai 2015 auf dem Königsplatz in Kassel Punkt 12 Uhr bei einem Flashmob Lärm

Der Arbeitskonflikt zeigt, wie wichtig es ist, in der Gewerkschaft zu sein und mitzuentscheiden

Gäbe es vor jeder Verhandlung mit Arbeitgebern ein Füllhorn, das nur ausgeschüttet und gerecht verteilt zu werden bräuchte, müssten die Gewerkschaften nicht ins Horn zum Streik blasen. Aber die Lage vor Tarifverhandlungen ist immer die gleiche: Geld ist angeblich nie da. Um Geld geht es jedoch auch in der Auseinandersetzung um die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste.

Wenn von der Aufwertung dieser Berufe gesprochen wird, ist damit immer auch ihr gesellschaftlicher Stellenwert gemeint, die Anerkennung, dass diese Arbeit wichtig, ja unverzichtbar ist. Und das ist einem Großteil der Bevölkerung in den vergangenen Monaten auch klar geworden, nicht nur den vom Streik betroffenen Familien mit Kindern, Jugendlichen und pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen.

Nur: Die vielen lobenden Worte allerseits nützen nichts, wenn die Anforderungen bei der Arbeit und zugleich die Lebenshaltungskosten steigen, und das Geld in der Haushaltskasse immer knapper wird. Deshalb wertet der Kompromiss, der in der letzten Verhandlungsrunde mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Ende September in Hannover erzielt werden konnte, viele Beschäftigte in den Sozial- und Erziehungsdiensten auch mit Geld spürbar auf. Um die 100 Euro brutto mehr bei einer Vollzeitstelle bringt das dem Großteil der Beschäftigten.

"Eine jahrzehntelang gewachsene Lohndiskriminierung lässt sich nicht im Handstreich beseitigen. Ohne einen Schritt aber, der für die Beschäftigten Verbesserung bringt, ist dieser Tarifkonflikt nicht beizulegen", hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske noch wenige Tage vor den Verhandlungen auf dem 4. ordentlichen ver.di-Bundeskongress gesagt. Diese Verbesserung gibt es jetzt. Das Schlichtungsergebnis hatte für viele lediglich um die 30 Euro mehr pro Monat vorgesehen. Die VKA musste auf das ursprüngliche Gesamtvolumen an Mehrkosten von 306 Millionen Euro noch einmal neun Millionen pro Jahr drauflegen.

Das klingt zunächst nach Peanuts, aber immerhin: Das Füllhorn in dieser Tarifauseinandersetzung wurde noch einmal aufgefüllt und gerechter ausgeschüttet.Dem Verhandlungsergebnis hat am 2. Oktober auch die Streikdelegiertenkonferenz mehrheitlich zugestimmt, die Bundestarifkommission hat im Anschluss daran die Urabstimmung eingeleitet.

Der kleine Unterschied

Abgeschlossen ist die Aufwertung damit aber noch längst nicht. Im Gegenteil: "Die Initiative zur Aufwertung der sozialen Berufe muss weitergehen, damit die Arbeit im Gesundheitsbereich, in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen, im Bildungsbereich und in der sozialen Arbeit gesellschaftlich mehr Anerkennung erfährt. Dort wird großartige Arbeit geleistet: für die Gesellschaft, für unser aller Wohlergehen und Zukunft. Großartige Arbeit, die zudem in den letzten Jahren entschieden anspruchsvoller geworden ist. Und die Beschäftigten verlangen dafür mit vollem Recht mehr Wertschätzung", sagte Frank Bsirske auf dem Bundeskongress.

Dass nicht wenige der Beschäftigten das am liebsten jetzt gleich mit einem "Erzwingungsstreik" durchsetzen würden, ist ebenso seit Wochen ein Thema. Die Delegierte Claudia Häußler wollte bei ihrer Wortmeldung auf dem Kongress niemandem "ans Bein pinkeln", sondern vielmehr einen weiteren Kompromiss vorschlagen: "Vieles wird der Spitze von ver.di und der Verhandlungskommission, aber nicht den Arbeitgebern angelastet. Wenn man Hoffnungen in jemanden setzt, ist hinterher manchmal die Enttäuschung groß", sagte sie und forderte: "Wir müssen gucken, wie wir eine Aufwertungskampagne als Dauerkampagne fahren und sie mit Tarifauseinandersetzungen verbinden."

Da hatte sie die Delegierten und den alten und neuen Vorsitzenden ganz auf ihrer Seite. Bsirske sagte, es müsse gelingen, den "Bruch zwischen den Erwartungen unten und den Möglichkeiten, die oben gesehen werden, möglichst zu begrenzen". An der Beteiligung der Mitglieder führe dabei kein Weg vorbei. "Wir setzen auf Beteiligung, und wir setzen darauf, die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und die Dinge mit ihnen zusammen zu entscheiden, weil es einen Unterschied geben muss, zwischen denen, die drin sind in der Gewerkschaft, und denen, die es nicht sind", sagte Bsirske. Das sei Gewerkschaft. Mitmachen ist also ausdrücklich erwünscht, auch oder gerade, wenn die Lage schwierig ist.