Ausgabe 07/2015
EU greift Tarifautonomie an
Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit sollen künftig in allen EU-Ländern eingerichtet werden. Das hat die EU-Kommission empfohlen. Ihre Aufgabe ist es, Empfehlungen zur Lohnentwicklung abzugeben. Damit wolle die Kommission, so ihr Präsident Jean-Claude Juncker, ökonomische Ungleichgewichte verhindern und die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder innerhalb der Eurozone besser koordinieren. Die Ausschüsse sollen überwachen, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Staaten entwickelt, und dabei auch die Lohnkosten bewerten. Besetzt sein sollen sie mit unabhängigen Expert/innen; ihre Ergebnisse sollen auch in Tarifverhandlungen einfließen.
Unzulässiger Eingriff
Die Gewerkschaften sehen die neue Institution als "überflüssig" an, schließlich fließen bereits heute auch statistische Daten und Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung in den Lohnfindungsprozess ein. "Damit wird ein fundamentaler Angriff auf die Tarifautonomie vorbereitet", befürchtet DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell angesichts der Vorschläge der EU-Kommission. Der DGB fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, auf, in Deutschland keinen nationalen Wettbewerbsrat einzurichten. Er sei ein unzulässiger Eingriff in das im Grundgesetz garantierte Prinzip der Tarifautonomie. Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) warnt nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor einer indirekten Beeinflussung von Tarifverhandlungen durch einen solchen Rat.
Der DGB rügt auch das Vorgehen der EU-Kommission. Obwohl Gewerkschaften direkt betroffen seien, seien die Arbeitnehmerorganisationen nicht konsultiert worden, kritisiert Körzell. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), der mehr als 90 Gewerkschaftsverbände in 39 Ländern repräsentiert, habe die Kommission deswegen aufgefordert, den Vorschlag zurückzuziehen. Er sei nicht vereinbar mit den EU-Verträgen und den ILO-Konventionen, warnte EGB-Generalsekretär Luca Visentini EU-Präsident Juncker. Der EGB weist auch darauf hin, dass die europäische Wirtschaft unter geringer Binnennachfrage und zu niedrigen Investitionen leide, nicht jedoch unter zu hohen Löhnen.
hla