ver.di-Landesleiter Detlef Ahting zur Zukunft guter Arbeit in der digitalisierten Arbeitswelt

Es gibt bereits Leitlinien für gute digitale Arbeit

Der Marsch in die digitale Arbeitswelt schreitet im Dienstleistungssektor rapide voran - mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Doch die Digitalisierung zielt bisher vor allem auf Rationalisierung und Kostensenkung. Nach der Tagung "Zukunft der Arbeit 4.0" in Hannover sprach ver.di publik mit ver.di-Landesleiter Detlef Ahting über "Dienstleistung 4.0" und die Anforderungen an eine moderne Dienstleistungspolitik.

Nach aktuellen Erhebungen, so Ahting, nutzen heute 87 Prozent aller Berufstätigen für ihre tägliche Arbeit den Computer, 79 Prozent mobile Geräte wie Notebook, Tablet und Smartphone, 55 Prozent surfen beruflich im Internet. Dabei gehören die Dienstleistungsbranchen von der staatlichen Steuerverwaltung bis zum privatwirtschaftlichen Online-Banking, vom E-Government bis zum Versandhandel zu Spitzenreitern bei der Digitalisierung.

ver.di publik - Gestaltung der Zukunft von Arbeit, von guter Arbeit - was bedeutet das mit Blick auf die digitale Dienstleistung?

Detlef Ahting - Die Digitalisierung verändert Branchen und Berufe und damit die Organisation der Arbeit. Wir müssen die Chancen des digitalen Umbruchs nutzen und die Risiken bewältigen. Digitalisierung darf nicht nur auf Rationalisierung abzielen. Gute Arbeit muss die Möglichkeiten zur Humanisierung durch neue Technologien ausschöpfen. Dabei müssen die Beschäftigten beteiligt werden. Ohne betriebliche und politische Gestaltung geht es nicht.

ver.di publik - Ist die Zeit dafür angesichts des erreichten Digitalisierungsgrads nicht weit fortgeschritten?

Ahting - Wir stehen ja nicht am Anfang. Beispielsweise haben wir Leitlinien für gute digitale Arbeit entwickelt, in denen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte der Erwerbstätigen definiert sind. Aber es stimmt: Wir brauchen ein neues und ambitioniertes politisches Projekt zur Gestaltung der digitalen Arbeit, um diese Leitlinien weiter zu entwickeln und umzusetzen.

ver.di publik - Mit welchen konkreten Eckpunkten?

Ahting - Es geht um bessere Mitbestimmungsrechte, auch bei der Verlagerung von Arbeit nach Übersee oder in die Cloud. Um Anpassung des Arbeitsschutzes an mobile und digitale Arbeit. Um Begrenzung grenzenloser Erreichbarkeit und Verfügbarkeit. Um mehr Zeit- und Ortssouveränität durch Varianten selbstbestimmter Telearbeit. Um bessere soziale Sicherung von Solo-Selbstständigen.

Unterm Strich bedeutet gute digitale Arbeit der Zukunft für Gewerkschafter eine Beschäftigungsförderung mit positiver Beschäftigtenbilanz. Wir wollen aus den Erträgen digitaler Automatisierung Qualifizierung für die Beschäftigten forcieren. Wir wollen durch Selbstbestimmung des Arbeitsplatzes Freiräume für mehr Arbeits- und Lebensqualität erschließen. Und wir wollen Forschung fördern. Human gestaltete Modelle mobiler und digitaler Arbeit brauchen Unterstützung durch öffentlich geförderte Projekte und begleitende Arbeitsforschung.

ver.di publik - Gibt es zu diesen Forderungen eine Resonanz von Politik und Arbeitgeberseite?

Ahting - Wir laden Politik und Unternehmensleitungen ein, mit uns gemeinsam die Zukunft der Arbeit zu gestalten und in konkreten Projekten zu erproben. Denn wir brauchen eine Politik, die den zunehmenden Wert von Dienstleistungen für die Entwicklung der Gesellschaft honoriert - bei ökologischen, öffentlichen und sozialen Dienstleistungen ebenso wie in der Bildungspolitik. Und es muss jedem klar sein, dass dies nicht ohne eine Umlenkung gesellschaftlicher Reichtumsströme in Investitionen für Forschung, Bildung und die digitale Infrastruktur zu haben sein wird.

"Es geht um bessere Mitbestimmungsrechte, auch bei der Verlagerung von Arbeit nach Übersee oder in die Cloud"