Armes Niedersachsen: Etwa 1,2 Millionen Menschen in Niedersachsen haben heute ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. Die Armutsgefährdungsquote lag laut Landesamt für Statistik Niedersachsen im Jahr 2014 bei 15,3 Prozent. Damit ist fast jeder sechste Niedersachse von Armut betroffen. Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Schwelle zur Armut bei 907 Euro, für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1.905 Euro. Über das Thema "Armut. Arbeit. Würde. Für eine Zukunft ohne Zumutungen" diskutierten rund 100 Betroffene, Interessierte und Experten im November auf der Fachtagung der Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK) in Hannover.

"Dieser Zustand ist ein gesellschaftlicher Skandal. Aktuell erhält jedoch die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich durch die Flüchtlingssituation zusätzliche Brisanz. Sozial benachteiligte Gruppen können gegeneinander ausgespielt werden, und dieser Konflikt wird auf dem Rücken der Schwächsten, von Flüchtlingen ausgetragen. Diese Konflikte sind nur dann zu lösen, wenn Armut nachhaltig bekämpft wird", war sich die LAK mit dem renommierten Armutsforscher Professor Gerhard Bäcker von der Universität Duisburg-Essen einig.

Sozialer Arbeitsmarkt

Die LAK, die Caritas Niedersachsen, der DGB Niedersachsen, die Diakonie Niedersachsen, die GEW Hannover, der Sozialverband Deutschland (SoVD) und ver.di Niedersachsen-Bremen verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung, sie fordern konkrete Verbesserungen für Gruppen mit besonders hohem Armutsrisiko.

Für Langzeitarbeitslose mit einer Armutsgefährdung von 58 Prozent soll in Niedersachsen ein "sozialer Arbeitsmarkt" mit fairen Bedingungen geschaffen werden - bei Kommunen und Wohlfahrtsverbänden auf freiwilliger Basis zu regulären, tariflichen Bedingungen.

Für Alleinerziehende mit einer Gefährdungsquote von 43 Prozent wird eine verbesserte Kinderbetreuung gefordert, aber auch mehr staatliche finanzielle Hilfe. Auch sollten erwerbstätige Eltern einen staatlichen Lohnzuschlag für den Mehrbedarf durch ihre Kinder erhalten.

Für Geringqualifizierte - jeder Dritte ist arm - sollte der Mindestlohn so gestaltet werden, dass er nicht in die Altersarmut führt. Also ein Stopp des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen. Zudem wird dringend eine größere Tarifbindung gebraucht. Tarifverträge sind auch für Geringqualifizierte ein Schlüssel für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen.

Außerdem, so die Verbände, fehle es in vielen Regionen an bezahlbarem Wohnraum. Daher müsse der soziale Wohnungsbau wieder angekurbelt werden. Das Land sollte wie in Österreich auch direkt als Bauträger aktiv werden. Dort setzt man die staatlichen Zuschüsse direkt zur Baufinanzierung ein, verzichtet auf teure Bankkredite und stellt die Projekte unter Gemeinnützigkeit. Die Wohnobjekte tragen sich dank niedriger Kosten und des Verzichts auf eine Kapitalrendite selbst, daher kann die Miete viel geringer ausfallen.