Mal eben Karl Marx retten

Ein Londoner Arbeiterviertel zu Beginn des Industriezeitalters: Wir schleichen durch ein Stahlwerk - überall glühendes Metall, schuftende Arbeiter und riesige Maschinen. Wir sollen einen Anschlag auf den Fabrikbesitzer ausführen. Er hat viel Geld gemacht durch Hungerlöhne, Kinderarbeit und einen Mangel an Arbeitsschutz. Um das zu beenden, sind wir jetzt unterwegs. Wir umgehen die Wachen, schwingen uns an einer Metallverstrebung entlang, stellen den Übeltäter in seinem Büro und fliehen anschließend über das Dach eines fahrenden Zuges.

Betriebsräte haben heutzutage etwas mildere Verhandlungsmethoden - im Computerspiel Assassin's Creed Syndicate ist das jedoch die übliche Vorgehensweise. Es handelt sich um ein klassisches Schleich-, Kletter- und Actionspiel. In verschiedenen Missionen müssen die beiden Assassinenzwillinge Evie und Jacob nicht nur Anschläge verüben, sondern auch Dokumente stehlen, Personen beschützen oder auch mal Kinder aus einer Fabrik befreien. Das alles geschieht im sehr stimmungsvoll inszenierten viktorianischen London. Man kann die Paläste der Reichen und die Elendsviertel der Arbeiter erkunden - Dampfschiffe auf der Themse und Lokomotiven in riesigen Bahnhofs- kathedralen bestaunen.

Das besondere an Syndicate ist jedoch nicht seine Spielmechanik oder die atemberaubende Grafik, sondern die Geschichte. Der Assassin's Creed-Spielreihe liegt immer die gleiche Mechanik zugrunde. Im ersten Teil kämpften die namensgebenden Assassinen gegen die europäischen Eroberer während der Kreuzzüge, es folgte der Kampf zwischen Kirche und Humanismus im Italien der Renaissance, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, das Zeitalter der Piraten in der Karibik und schließlich die französische Revolution. Dies alles sind in erster Linie historisch bedeutsame Konflikte. Mit Syndicate vollführt die Assassin's Creed-Reihe den Sprung in die Arbeitswelt.

Das Spiel ist durchdrungen vom Konflikt zwischen Arbeitern und Unternehmern. Ob man nun ein - von einer Maschine verletztes - Kind in ein Krankenhaus bringt oder Karl Marx auf dem Weg zu einer Versammlung vor der englischen Polizei beschützt. Überall treten die Ausbeutung und das Elend der Arbeiter hervor. Gleichzeitig hilft man als Spieler aktiv mit, die aufkommende Gewerkschaftsbewegung Londons aufzubauen. Natürlich darf man von einem 70 Millionen Euro teuren Spieleblogbuster keine zu große inhaltliche Tiefe erwarten. Es bewegt sich eher auf dem Niveau eines Indiana-Jones-Filmes. Trotzdem gelingt Syndicate eine wichtige Sache: Als erstes großes Spiel überhaupt greift es das Thema Gewerkschaften und Arbeiterbewegung auf und sorgt dafür, dass junge Menschen damit überhaupt in Kontakt kommen. Dmitri Geidel

Assassin's creed syndicate, Actionspiel von Ubisoft für PlayStation 4, Xbox One und PC, ca. 47 €


Agent Undercover

BND? KGB? NSA? Nun, welchem Geheimdienst wir angehören, ist auch hier praktisch und moralisch ziemlich egal. Immer einer oder eine ist Agent Undercover, also Geheimagent/in und weil die anderen nicht wissen, wer, beäugen wir uns alle misstrauisch. Die Geheimagentin wiederum weiß nicht, an welchem Ort sich alle befinden. Also stellen wir einander vorsichtig und geschickt Fragen. Dabei will der Agent Undercover erkennen, wo wir sind, und möglichst nicht verraten, dass er oder sie keine Ahnung hat. Die anderen wollen den Agenten möglichst schnell entlarven, ohne den Ort preiszugeben. So geht das in diesem fesselnden Spiel hin und her, wir reden höchst geheimnisvoll um den heißen Brei herum und haben - BND? KGB? NSA? - alle etwas zu verbergen. Iris Treiber

Kommunikationsspiel von Alexander Ushan, Piatnik, 3-8 Pers., ab 12 J., ca. 22 €


Cornwall

Was machen echte Kerle nach der Arbeit? Klar, sie gehen in die Kneipe. Na ja, zumindest in Cornwall im Südwesten Englands scheint das so gewesen zu sein, und die Kneipe war natürlich ein Pub. Bevor unsere kleinen, Wert 1, oder dünnen, Wert 2, oder kräftigen, Wert 3, Arbeiter jedoch dorthin dürfen, müssen sie für uns Land gewinnen, und zwar Berg, Wiese, Wald, Moor oder Dorf. Immer drei Landschaften finden sich auf einem Legeplättchen, wenn wir dran sind, decken wir eines auf, legen es an und setzen, wenn wir wollen, Arbeiter ein, je mehr, desto teurer wird's. Ist eine Landschaft abgeschlossen, gibt's Punkte für die, die die meisten Arbeiterwerte dort haben, wobei sich Dörfer und beflaggte Landschaften besonders lohnen. Und dann? Ja, wie gesagt, dann geht's in den Pub, und dort müssen wir die Arbeiter erst wieder auslösen, bevor wir sie erneut malochen schicken können. Es gewinnt das schöne, taktische Legespiel natürlich, wer, mit Hilfe seiner Arbeiter, die meisten Punkte erzielt. Iris Treiber

Legespiel von Johannes Schmidauer- König, Schmidt, 2-4 Pers. ab 8 J., etwa 20 €


Tumult Royal

Was will das Volk? Nein, keine schnellen Autos oder teuren Uhren, sondern Brot, Marmor und Werkzeug. Zumindest bei Tumult Royal. Wie nicht anders zu erwarten, brauchen das aber auch die Adligen, um ihre Statuen in der Landschaft zu platzieren. Denn wer die meisten aufstellt, gewinnt. Dumm nur: Wir, diese Adligen, haben zwar die Möglichkeit, dem Volk alles, alles wegzunehmen. Aber wenn wir das tun, wehrt sich, ach, das Volk. Es kommt zum Tumult, und wer am gierigsten war, muss wieder was zurückgeben, umso eher, je höher sein edler Rang ist. Das mag zwar jetzt undenkbar erscheinen, aber es führt dazu, dass wir beim wilden Raffen doch ein bisschen überlegen, wie viel wir nehmen. Letztendlich gewinnt das spannende und gut durchdachte, taktische Reaktionsspiel also, wer das richtige Maß findet. Iris Treiber

Taktikspiel von Benjamin und Klaus Teuber, Kosmos, 2-4 Pers., ab 10 J., etwa 30 €