Mit dem nun schon zweiten Generalstreik wehrte sich die griechische Gewerkschaftsbewegung am 3. Dezember gegen die Verabschiedung neuer Sparmaßnahmen durch die im September wiedergewählte Regierung aus linker SYRIZA und nationalistischer ANEL. Bei dem von den Gewerkschaftsdachverbänden GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) ausgerufenen ganztägigen Ausstand ging es vor allem um die zwischen der Regierung und ihren Gläubigern in EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, EZB und IWF, vereinbarte Rentenreform. Dabei sollen das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre festgelegt und die Rentenkassen bei Kürzung der Bezüge und Erhöhung der Beiträge für die Arbeitnehmer vereinheitlicht werden. Für die Mindestrente sind 365 Euro, etwa die Hälfte des Existenzminimums, im Gespräch. Die Gewerkschaften werten das als extrem unsozial, da die Rente der Eltern oder Großeltern schon heute für zehntausende Familien die einzige Einnahmequelle ist. Sozialhilfe gibt es in Griechenland nicht, nur eine kleine Minderheit der mehr als 1,2 Millionen Arbeitslosen bezieht noch das auf zwölf Monate begrenzte Arbeitslosengeld.

Der erste Generalstreik hatte schon am 12. November stattgefunden. Er hatte sich vor allem gegen eine inzwischen verabschiedete Regelung gerichtet, nach der auch die Erstwohnung nur noch in Ausnahmefällen vor Zwangsräumung und Pfändung durch die Banken geschützt ist. Etwa 400.000 Familien sind durch dramatische Einkommensverluste nicht mehr imstande, die monatlichen Raten für ihr Eigenheim zu begleichen. Vor dem Verlust dieser oft letzten Barrikade vor der vollständigen Verelendung ist man nun nur noch bei einem Jahresbruttoeinkommen von höchstens 8.180 Euro geschützt, für eine vierköpfige Familie liegt die Grenze bei 20.639 Euro.

Versprechen gebrochen

Im Wahlkampf hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras versprochen, die von ihm als Produkt einer Erpressung bezeichnete dritte Gläubigervereinbarung zu entschärfen und mit "alternativen Sparvorschlägen" die sozial Schwachen zu schützen. Stattdessen stehe man nun "vor einem neuen Gläubigermemorandum", dessen Bestandteile "Wirtschaft und Gesellschaft den Gnadenstoß versetzen", heißt es in der in dem ersten Generalstreik verabschiedeten Resolution der GSEE. Die Maßnahmen würden "Rezession und hohe Arbeitslosigkeit weiter verschärfen". Dass SYRIZA den Generalstreik als Druckmittel gegenüber den Gläubigern zu vereinnahmen versuchte, wurde auf der Streikdemonstration als "schlechter Witz" bezeichnet.

Am 18. November setzten sich mehrere tausend nach Athen gereiste Bauern mit einem Protestmarsch zum Parlament gegen die Verschärfung ihrer steuerlichen Belastung auf mehr als das Doppelte zur Wehr. Der Gläubigervereinbarung zufolge soll nicht nur die Steuervergünstigung für Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Ab dem nächsten Jahr soll auch die Einkommenssteuer im Agrarwesen erhöht werden - von 13 auf 20 Prozent ab dem ersten Euro. Anfang 2017 sind dann sogar 26 Prozent fällig.

Die jetzt verabschiedeten Maßnahmen sichern dabei lediglich die Auszahlung einer neuen Kreditrate in Höhe von 12 Milliarden Euro, von denen zwei Milliarden für die Bedienung von Altschulden und zehn Milliarden zur Stützung der griechischen Banken vorgesehen sind. Der jüngste Generalstreik richtete sich bereits gegen die Bedingungen für die nächste Rate. Heike Schrader