Ein Bus des Stadtverkehrs mit programmatischer Aufschrift

Geschafft! Nach monatelangen Auseinandersetzungen ist es ver.di und den Beschäftigten gelungen, mit dem Stadtverkehr Hildesheim (SVHI) eine Tarifeinigung zu erzielen. Zuvor hatten die Busfahrer eine Woche lang gestreikt - aus Sorge um ihre Arbeitsplätze.

Der Stadtverkehr und der Regionalverkehr Hildesheim mit 175 betroffenen Beschäftigten befördern pro Jahr rund 11,2 Millionen Fahrgäste. Doch dann drohte ausgerechnet durch eine Tochter der Bahn AG die Privatisierung: Die DB Regio stellte den Antrag, den Verkehr eigenwirtschaftlich zu fahren, sodass die SVHI mit einem konkurrenzfähigen Angebot reagieren musste. "Die Beschäftigten wurden dabei vor die Wahl gestellt: Arbeitsplatzverlust oder Arbeit zu deutlich schlechteren Bedingungen", berichtet ver.di-Bezirksgeschäftsführer Harald Memenga. Lohnabsenkungen um bis zu 25 Prozent bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszeit hätten zeitweise gedroht.

"Wir haben einen Tarifabschluss erzielt, der den Beschäftigten und uns sehr schwer gefallen ist", so Memenga. Denn man habe für die Dauer von zehn Jahren einen Lohnverzicht von etwa sieben Prozent akzeptieren müssen sowie die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. Hinzu kommen im neuen Haustarifvertrag, der jedoch die Erhöhungen des öffentlichen Dienstes übernimmt, zwei Tage weniger Urlaub und gekürzte beziehungsweise gestrichene Zulagen. Gesichert werden konnten die betriebliche Altersversorgung und die 39-Stunden-Woche.

Gesetz fördert Lohn- und Sozialdumping

Für sozialverträgliche Ausgleichszahlungen steht in den nächsten zehn Jahren ein Topf von rund acht Millionen Euro zur Verfügung, der den derzeit Beschäftigten das bisherige Monatsentgelt und eine jährliche Sonderzuwendung von 400 Euro sichert. "Angesichts der ungünstigen Rahmenbedingungen gab es keine andere Möglichkeit, Betrieb und Arbeitsplätze zu retten. Gemessen daran ist das Ergebnis dann doch vertretbar", so Memenga. Die Tarifeinigung werde von den ver.di-Mitgliedern im Betrieb mehrheitlich akzeptiert. Die Situation beim SVHI mache aber deutlich, dass die bestehende Gesetzeslage, die Sozial- und Lohndumping praktisch zum Programm erhebe, geändert werden müsse.

Hintergrund: Die Stadt hatte die Busverkehrsleistung in Hildesheim 2015 direkt an die SVHI vergeben. Diese im europäischen Recht ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit wird jedoch durch das deutsche Personenbeförderungsgesetz ausgehebelt. Es lässt sogenannte eigenwirtschaftliche Anträge zu, die dann Vorang vor der Direktvergabe haben. Zudem findet das bei Ausschreibungen sonst zwingend anzuwendende Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz keine Anwendung. Folge: Dumpinglöhne durch Subunternehmer. Die Stadt hätte zehn Jahre lang keinen Einfluss auf das Verkehrsangebot gehabt. Sie hätte den mehr als 100 Jahre alten SVHI liquidieren und Abwicklungskosten von bis zu 20 Millionen Euro tragen müssen. Tarifarbeitsplätze würden vernichtet und die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung unterlaufen. Was in Pforzheim bereits eingetreten ist, droht nun auch in Oldenburg.