Ausgabe 06/2016
Schöner wohnen war einmal
Petra Welzel ist Redakteurin der ver.di publik
Wir haben im Frühsommer renoviert, haben alle Räume neu gestrichen, samt Decken. Dazu sind wir als Mieter vertraglich alle fünf Jahre verpflichtet. Wir haben auch den Boden komplett erneuert. Nach 13 Jahren ist dafür gesetzlich eigentlich der Vermieter zuständig. Entweder man nimmt den Boden, den einem der Vermieter anbietet, oder man legt selbst etwas drauf für einen besseren und schöneren Boden. Schließlich möchte man ja wohnen, wie es einem gefällt. Unser Vermieter will allerdings bis heute keinen Cent zum neuen Boden dazulegen. Denn offensichtlich haben die Vermieter ganz Neues im Sinn. Sie vermieten immer öfter lieber möbliert. Erstens entscheiden sie dann über den Standard, zweitens umgehen sie damit die vor gut einem Jahr eingeführte Mietpreisbremse, die bei Neuvermietungen lediglich eine Erhöhung der Miete um zehn Prozent über der ortsüblichen Miete erlaubt. Nur: Für möblierte Wohnungen gilt diese Bremse nicht.
Laut einer von der Süddeutschen Zeitung in Auftrag gegebenen Studie werden in den deutschen Großstädten möblierte Wohnungen zu 60 bis 80 Prozent teurer vermietet als Wohnungen ohne Einrichtungen. Seit Mai 2015 ist daher auch ein deutlicher Anstieg möblierter Wohnungen zu verzeichnen. In München und Stuttgart betreffen bereits rund 60 Prozent aller Wohnungsinserate möblierte Wohnungen. Vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 35 Prozent. Und auch in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und Köln wird immer häufiger möbliert vermietet. Hinzu kommt, dass neun von zehn Wohnungen ohne Einrichtung teurer angeboten werden als es die Mietpreisbremse erlaubt, wie zwei vom Deutschen Mieterbund in Auftrag gegebene Studien jetzt ergeben haben. Und es geht dabei nicht nur um wenige Prozent. 30 bis 50 Prozent mehr Miete als zulässig verlangen die Vermieter.
Die Mietpreisbremse entpuppt sich so eher als Gaspedal. Schöner Wohnen war einmal. Es wird immer teurer, teils unbezahlbar. Autos mit defekten Bremsen werden vom Hersteller immerhin zurückgerufen und nachjustiert. Die Bundesregierung fährt einfach weiter. Ein Skandal, weit schlimmer als der ums Abgas.