Digitalisierung verändert die Arbeitsplätze in der Industrie und im Dienstleistungssektor tiefgreifend. Wie kann Gute Arbeit dabei ein Leitbild für die Arbeitsbedingungen von morgen sein? Darüber sprach ver.di publik mit Detlef Ahting, ver.di-Landesleiter von Niedersachsen-Bremen.

ver.di publik - Ist die CIMA-Studie zur Digitalisierung im Dienstleistungsbereich (siehe oben) ein Handlungsleitfaden?

Ahting - Ja, für einen Ausschnitt. Wir wollen die Digitalisierung aktiv mitgestalten und nicht nur drohende Arbeitsplatzverluste beklagen. Dazu brauchen wir Know-how und auch Antworten auf die Frage: Wie organisieren wir kollektiv Prozesse, wenn wir es vielfach mit virtuellen Plattformen und Arbeitsplätzen zu tun haben. Aber es sind in der Studie nicht alle Branchen erfasst, es gilt, auch die Branchen Gesundheit und Finanzdienstleistungen einzubeziehen. Das haben wir aber schon auf den Weg gebracht.

ver.di publik - Schreitet die Digitalisierung in einzelnen Dienstleistungsbranchen unterschiedlich voran?

Ahting - Absolut. Finanzgeschäfte werden heute vielfach online getätigt, im öffentlichen Nahverkehr oder im Gütertransport steht die fahrerlose Zukunft erst bevor. Die Unternehmen müssen daher gute Lösungen mit Perspektiven für ihre Beschäftigten finden. Der Betriebsrat von Daimler wurde angesichts der Automatisierung gefragt: Was passiert, wenn hier nur noch Maschinen und Roboter arbeiten? Die Gegenfrage lautete: Was passiert, wenn keiner mehr Autos kaufen kann? Das zeigt, dass wir gesellschaftlich über neue Zukunftsideen von Arbeit nachdenken müssen.

ver.di publik - In der IT-Branche arbeiten nicht nur Computerfreaks rund um die Uhr, oft an Crowd-working-Projekten. Will diese Kreativ-Szene überhaupt Tarife und Mitbestimmung?

Ahting - Mal zurückgeblickt: Als der Internet-Hype begann, wurden für die jungen, flexiblen Kreativen Spielecken und Sporträume eingerichtet. Als diese jungen Leute aber in die Familienphase kamen, erkannten auch sie, wie wichtig die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist. Also wurden Modelle tariflich geregelter Arbeitszeit begrüßt. Wir wollen auch in diesem Bereich den Prozess aktiv begleiten und für Gute digitale Arbeit sorgen.

ver.di publik - Also Digitalisierung als gesellschaftliche Debatte?

Ahting - Wie die Potenziale der Digitalisierung für Gute Arbeit und mehr Demokratie in der Gesellschaft genutzt werden können, wird jährlich auf den ver.di-Digitalisierungskongressen debattiert. Bessere Dienstleistungen, soziales Wachstum und neue Beschäftigung können entstehen, wenn Kundenwünsche einbezogen und umgesetzt, wenn brauchbare und notwendige Dienstleistungen entwickelt und wenn die digitalen Tätigkeiten im Sinne Guter Arbeit gestaltet werden. Zu den Leitlinien für Gute digitale Arbeit gehören der Schutz von Daten und die Gewährleistung von Persönlichkeitsrechten. Vertrauliche Kommunikation ist zudem Voraussetzung für die Wahrnehmung von Grundrechten wie Meinungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit sowie für den Schutz von Berufsgeheimnissen.

ver.di publik - Was fordert ver.di für Solo-Selbstständige und Crowdworker

Ahting - Wer Aufträge auf Online-Plattformen wie Clickwork.com oder Freelancer.com als Auftragnehmer erhält, trägt alle Risiken selbst. Für die wachsende Zahl solcher Arbeitnehmer fordern wir wirksame Mechanismen der sozialen Absicherung. Gerade in Niedersachsen sollte die Fleischwirtschaft mit 80 Prozent Werkvertragsbeschäftigten und 20 Prozent Geringverdienern eine Warnung sein. Da muss die Politik die Fluchttür schließen. Gute Arbeit heißt für uns: Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Sie brauchen ein Mindesteinkommen und vor allem soziale Sicherungssysteme für das Alter.

Gute Arbeit heißt für uns: Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können