Ausgabe 08/2016
Hände weg vom Arbeitszeitgesetz
Der Dialog zu "Arbeiten 4.0", den Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, im April 2015 angestoßen hat, begann mit einem Grünbuch voller Fragen. Nun, nach etlichen Treffen mit Vertreter/innen aus Gewerkschaften, Verbänden, Unternehmen, Politik und Wissenschaft, gibt es Antworten in einem jüngst vorgelegten Weißbuch. Es enthält konkrete Vorschläge des Bundesarbeitsministeriums zur Gestaltung der neuen Arbeitswelt und wirft zugleich neue Fragen auf, denn viele Aspekte sind noch zu vertiefen. Und nicht alles, was machbar ist, stößt bei Gewerkschaften auf Zustimmung.
Befristete Teilzeit
Das Ergebnis stellt, stark verkürzt, mehr Flexibilität durch Wahlarbeitszeit in Aussicht, verbunden mit Abweichungen vom bisherigen Arbeitszeitgesetz, befristete Teilzeit und ein Rückkehrrecht in die Vollzeit, Schaffung eines persönlichen Erwerbstätigenkontos mit einem Startguthaben bei Einstieg ins Berufsleben, auf das man bei Weiterbildung, Existenzgründungen oder Pflegezeiten zugreifen kann, ferner das Recht auf Weiterbildung, eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für haushaltsnahe Dienstleistungen.
Der DGB sieht in den Antworten aus dem Bundesarbeitsministerium die richtigen Prioritäten, fordert aber auch einen politischen Ruck hin zu Guter Arbeit 4.0 und verweist auf kritische Punkte. Entscheidend sei, dass die Beschäftigten die Spielräume für mehr berufliche Mobilität für sich nutzen könnten. Dazu sei es wichtig, die Mitbestimmung zu stärken, selbstbestimmte Arbeitszeitflexibilität zu ermöglichen, berufliche Weiterbildung stärker zu unterstützen, den Datenschutz für die Beschäftigten auszubauen und die Tarifbindung zu stärken. Probleme, wie massenhaft unbezahlte Überstunden oder steigender Arbeitsstress, dürften nicht in die Zukunft geschleppt werden, heißt es beim DGB.
Wichtiger Diskussionsprozess
ver.di will Gute digitale Arbeit für die Beschäftigten. Mit diesen Zielvorgaben, auch flankiert durch die Beschlüsse des letzten Bundeskongresses, geht ver.di in die Gestaltungsanforderungen für Arbeit 4.0. "Der Diskussionsprozess um das Grünbuch war wichtig", sagt Karl-Heinz Brandl, ver.di-Bereichsleiter und zuständig für Gute Arbeit. Doch jetzt sei konkretes Handeln erforderlich. "Die Politik sollte schnell Leitplanken setzen, damit sich die Chancen der Digitalisierung entfalten und die Risiken eingedämmt werden können", so Brandl. Beschäftigtendatenschutz, Weiterbildungsangebote und befristete Teilzeit mit Aufstockungsanspruch, das sei alles gut, müsse aber auch umgesetzt werden.
Ein klares Nein kommt zu Versuchen, das bestehende Arbeitszeitgesetz aufzuweichen. ver.di habe kein Problem mit Pilotprojekten, die auf die Branche zugeschnitten sind, beispielsweise Langzeitkonten in Kombination mit einem Belastungsschutztarifvertrag wie bei der Telekom oder ein Arbeitszeitkorridor in Verbindung mit einem Tarifvertrag zum Gesundheitsmanagement wie bei IBM. Doch solche individuellen Regelungen dürften nicht als Blaupause für alle dienen und bestehenden Schutz aufweichen. "Hände weg vom Wahlarbeitszeitgesetz", sagt Brandl. Das bestehende Arbeitszeitgesetz lasse genug Flexibilität zu. Marion Lühring