Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften machen mobil in Sachen Rente

Eine "große Rentenreform" wird es wohl vor der Bundestagswahl 2017 nicht mehr geben. Allerdings hat die Kampagne der DGB-Gewerkschaften unter dem Motto "Rente muss reichen" in den letzten Wochen und Monaten gesteigerte Aktivitäten in der Politik ausgelöst.

Spitzenvertreter/innen der regierenden Koalition aus CDU, CSU und SPD einigten sich im November darauf, in der laufenden Legislaturperiode Verbesserungen der Erwerbsminderungsrenten gesetzlich zu regeln, allerdings nicht für die 1,8 Millionen Betroffenen, die bisher schon Leistungen beziehen, sondern nur für künftige Fälle, und auch das nur in kleinen Schritten bis 2024. Die vollständige Angleichung der Ost-Renten an das West-Niveau soll ebenfalls kurzfristig in Gesetzesform gegossen werden, wenn die Finanzierung geklärt werden kann. Vorgesehen sind sieben Stufen - von zurzeit 94,1 Prozent auf 100 Prozent in den Jahren 2018 bis 2024. Anfang November bereits hatte sich die Regierungskoalition auf den Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung" verständigt, das nun "zügig" vom Bundestag verabschiedet werden soll. Für die im Koalitionsvertrag vereinbarte solidarische Lebensleistungsrente sollen noch unterschiedliche Modelle geprüft werden.

Das alles seien "Schritte in die richtige Richtung", betonten die Vorsitzenden von IG Metall, Jörg Hofmann, und ver.di, Frank Bsirske, in einer Stellungnahme. Sie sehen aber insgesamt "noch deutlichen Nachbesserungsbedarf".

Erwerbsminderungsrente, Ost-West-Angleichung, Betriebsrenten und - wenn sie denn realisiert werden sollte - Lebensleistungsrente sind nur vier von einem knappen Dutzend Stellschrauben zum Themenkomplex Altersvorsorge, dessen Herzstück die umlagefinanzierte gesetzliche Altersrente ist - genauer: deren Niveau im Vergleich zu den Löhnen und Gehältern der aktiv Beschäftigten. Dieses Niveau steht auch im Mittelpunkt der Gewerkschaftskampagne "Rente muss reichen", und zwar erstens "für ein gutes Leben", zweitens "auch morgen" und drittens "in Würde", wie es auf der Website www.rente-muss-reichen.de heißt. Auf eine wie auch immer geartete Erhöhung dieses Niveaus gegenüber dem geltenden Recht haben sich Unionsparteien und SPD aber nicht einigen können.

Ein Wahlkampf-Thema

Allerdings legte Bundessozialministerin Andrea Nahles, SPD, Ende November zu dieser Frage ein eigenes "Gesamtkonzept" vor, das damit Gegenstand des Wahlkampfs 2017 werden dürfte, wenn nicht die SPD in ihrem Wahlprogramm noch etwas ganz anderes beschließen sollte. Bsirske und Hofmann begrüßten, dass die Ministerin "in der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft ein höheres Rentenniveau ermöglichen" wolle und überhaupt bereit sei, den Beitragssatz zugunsten einer auskömmlichen gesetzlichen Rente "nach oben anzupassen". Allerdings sei die von Nahles angestrebte "Haltelinie" von 46 Prozent bis 2045 zu niedrig: "Wir fordern die Stabilisierung des heutigen Rentenniveaus bei einer Haltelinie von 48 Prozent statt bei 46 Prozent", und in einem weiteren Schritt sei "eine Erhöhung etwa auf 50 Prozent als Ziellinie" notwendig.

Auch DGB-Vorstand und -Rentenexpertin Annelie Buntenbach machte deutlich, dass die gesetzliche Rente "nicht unter das heutige Niveau von 48 Prozent" sinken dürfe: "Das Rentenniveau ist bereits in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt worden und muss jetzt stabilisiert werden." Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften würden ihre Forderungen und Vorschläge weiter mit allem Nachdruck in die Diskussion um die Alterssicherung einbringen. Die Regierungskoalition bleibe aber nicht nur beim Rentenniveau eine Antwort schuldig, sondern auch auf die Frage nach gezielten Maßnahmen gegen Altersarmut.

Zum Gesamtkonzept von Ministerin Nahles gehören neben den "Haltelinien" für Rentenniveau und Beitragshöhe unter anderem eine gesetzliche Solidarrente für Geringverdiener/innen, die immer zehn Prozent über dem jeweiligen Betrag der Altersgrundsicherung liegen soll, eine verbesserte Absicherung von Selbstständigen und die Beibehaltung des Renteneintrittsalters von 67 Jahren.

Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag, bewertete die Beschlüsse des Koalitionsgipfels "nach wochenlangem Ankündigungsgetöse" als "viel zu wenig". Der Co-Vorsitzende der sogenannten "Alternative für Deutschland" (AfD), Jörg Meuthen, plädierte laut Deutscher Presse-Agentur für eine Abkehr von der gesetzlichen Rentenversicherung hin zu einer "staatlich erzwungenen privaten Vorsorge". Bei einer - wenn auch nicht repräsentativen - Umfrage des Berliner Tagesspiegel sprachen sich allerdings 86 Prozent der 276 Teilnehmenden für ein Festhalten am umlagefinanzierten Rentensystem aus, "auch wenn das mit höheren Beitragssätzen verbunden ist".

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