Ausgabe 08/2016
"Netto"-Zentrum Coswig: Tarifkommission gewählt
Seit 2008 beliefert das Logistikzentrum des Lebensmittel-Discounters "Netto" im sachsen-anhaltischen Coswig die Filialen im Großraum Halle-Leipzig. Nur allmählich sind auch Strukturen der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung entstanden. Zu den Aktiven der ersten Stunde gehört Stefan Lampel, seit Gründung des Logistikzentrums ist er in Coswig dabei. Und er lässt sich nicht einschüchtern, wenn sein Arbeitgeber "mit Drohungen um die Ecke kommt", wie er es formuliert.
Im Jahre 2010 war ein Betriebsrat gewählt worden, dem auch Stefan Lampel angehörte. Aber die Zusammensetzung behagte dem Gewerkschafter gar nicht. Je stärker er sich in seine Aufgabe hineinkniete, desto mehr wurde ihm klar, wie der Arbeitgeber der Belegschaft wichtige Informationen vorenthielt, beispielsweise zu den Themen Tarifvertag, Eingruppierung, Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Arbeitszeit, Mehrarbeit und Wochenenddienst. Als es dann 2014 galt, einen neuen Betriebsrat zu wählen, stellten Stefan Lampel, sein Kollege Jörg Klander und weitere Mitstreiter/innen eine eigene Wahlvorschlagsliste auf - und sie wurden gewählt. Der alte Betriebsrat und die Arbeitgeber machten große Augen. Und unproblematisch ist die Betriebsratsarbeit bis heute nicht.
Aber die Kontakte zu ver.di wurden vertieft, um besser zu verstehen, welche und vor allem welche besseren Möglichkeiten bestehen, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Die Zahl von anfänglich vier gewerkschaftlich organisierten Kollegen steigerte sich inzwischen auf 54 ver.di-Mitglieder. Und aus zunächst eher unverbindlichen Treffen mit ver.di-Projektsekretär Ronny Streich entwickelten sich feste Strukturen. Bei einer Befragung der Beschäftigten kristallisierte sich heraus: Die überwiegende Mehrheit ist unzufrieden mit der Bezahlung, ihrer Eingruppierung, den Arbeitszeiten und Schichtregelungen, mit der Wertschätzung durch Vorgesetzte und ihren Entwicklungsmöglichkeiten sowie mit den Arbeitszeiten am Wochenende. Sie wollen, dass die vereinbarte 39-Stunden-Woche eingehalten, weniger Mehrarbeit angesagt und mehr Personal eingestellt wird.
Bei einer ver.di-Mitgliederversammlung wurde die Befragung ausgewertet. Die Schlussfolgerungen sollen in einer Betriebsversammlung präsentiert werden. Das Ziel: neue Tarifverhandlungen und vor allem eine neue Eingruppierung. Eine Tarifkommission wurde gewählt. Auf dem Plan für 2017 stehen jetzt eine Schulung der Aktiven und das Erarbeiten und Aufstellen von Infotafeln.
btr