Ausgabe 01/2017
Kunst zum Schnäppchenpreis
Let's Buy It! Kunst und Einkauf
Wer in Paris über den Montmartre schlendert, passiert zwangsläufig auch den Kunstmarkt auf diesem Hügel mitten in der Stadt. Einen Platz und ein paar Gassen drum herum, wo hauptsächlich Malerinnen und Maler ihre kleinen und größeren Werke wie Äpfel und Kartoffeln feilbieten. Manche bereiten ihre Bilder sozusagen frisch zu, malen eine Landschaft oder porträtieren in Minutenschnelle einen kaufwilligen Passanten mit dem Kohlestift. Kunst kommt also nicht allein vom Können, wie es so heißt, sondern auch vom Kaufen. Hätten Menschen nicht schon vor Jahrhunderten ihren Geschmack für die sogenannten schönen Künste entwickelt, es gebe sie nicht, die Kunstmärkte, einen Handelsplatz für Dinge, die man nicht unbedingt braucht.
Die Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen hat ihre aktuelle Ausstellung diesem Phänomen gewidmet. Angefangen bei Albrecht Dürer, der in der Geschichte der Kunst an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit als erster Kunst-Unternehmer gehandelt wird, bis zu zeitgenössischen Künstlern wie Laas Abendroth oder Sven Piayda sind Arbeiten zu sehen, die das Thema Kunst und Kaufen in sich vereinen. Sehr deutlich zeigt das zum Beispiel die Fotoserie "Menschen im Warenhaus" von Rudolf Holtappels aus den 1960ern. Holtappels hat Menschen unter anderem an Grabbeltischen beobachtet, etwa eine beleibte Dame im hellen Blazer mit großer Brosche und einem etwas zu kleinem Hut, die Hüte für eine, zwei oder drei D-Mark kritisch betrachtet, während ihr dabei ein älterer Herr über die Schulter blickt. Es ist nicht irgendein Schnappschuss, sondern ein durch und durch komponiertes Bild, dass dem Kaufhaus ebenso wie der Kunst ihren Platz auf dem Markt der käuflichen Möglichkeiten einräumt.
Bis heute vielleicht am konsequentesten hat Marcel Duchamp zu Beginn des 20. Jahrhunderts industriell produzierte Waren zur Kunst erklärt. Ein Kunstwerk war nicht mehr einzigartig, sondern wurde als sogenanntes Multiple in Massen hergestellt. Kunst war auf einmal für fast alle erschwinglich, so wie der Hut im Kaufhaus.
"Kunst für alle" ist auch der Gedanke des Arbeitskreises Oberhausener Künstler, der parallel zur Ausstellung ab dem 12. März 2017 im Kleinen Schloss "shop!" eröffnet, einen Raum, der über verschiedene Kunstsparten hinweg die Betrachterin und den Betrachter auffordert, selbst Kunst zu machen. Die gibt es dann zum Eintrittspreis. Ein echtes Schnäppchen. Petra Welzel
LUDWIGGALERIE SCHLOSS OBERHAUSEN, KONRAD-ADENAUER-ALLEE 46, BIS 14. MAI 2017, DI-SO 11-18 UHR
Pieter Hugo
Selten bekommt man so viele eindringliche Porträts auf einmal zu sehen: In der ersten Einzelausstellung in Deutschland zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg 250 Bilder des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo. Vor allem Bilder von Menschen, an denen man nicht einfach so vorbeigeht. Es ist das Stilmittel Hugos, die Porträtierten derart in die Kamera blicken zu lassen, dass man sich ihren Blicken nicht entziehen kann. Sie ziehen geradezu magisch an. Selbst noch aufgewachsen unter der Apartheid in Südafrika, kennt der Fotograf keine Grenzen, wenn es um die Auswahl seiner Porträtierten geht. Quer durch alle Gesellschaftsschichten ist er vor allem in Afrika, aber auch in den USA oder China mit seinen Objektiven gedrungen. Lässt die Menschen oft in klassischen Haltungen alter Gemälde posieren. Verleiht ihnen eine Aura, die ihnen der nicht selten triste und armselige Hintergrund verweigert. Und dabei scheint jedes Bild eine Geschichte zu erzählen. Geschichten, die es lohnt zu lesen. Petra Welzel
KUNSTMUSEUM WOLFSBURG, HOLLERPLATZ 1, 19. FEBRUAR BIS 23. JULI 2017, DI-SO 11-18 UHR
"Was ich mit mir trage..."
Zehn Meter lang und nahezu mannshoch ist die Mauer aus 150 Reisetaschen und Koffern des im vergangenen Jahr verstorbenen Künstlers Raffael Rheinsberg, die sich in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen auftürmt. 61 weitere Koffer und zwei Truhen der Künstlerin Sabine Braun stehen geöffnet auf dem Boden herum. In ihnen befinden sich Leuchtkästen, die Porträts von Migrantinnen und Migranten oder einfach nur Wasseroberflächen zeigen. "Was ich mit mir trage..." ist eine Ausstellung über Gepäckstücke und ihre Fluchtgeschichten, die die Austellungsmacher mit einer vor Ort angestellten Recherche ergänzt haben. Diese bezieht aktuelle Flüchtlinge ebenso ein wie aus der DDR geflohene und nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebene Menschen, die heute alle in Bietigheim-Bissingen leben. Ihre Geschichten zeigen, dass Flucht ein immerwährendes Thema ist, was Geflüchtete miteinander verbindet, was ihnen wichtig ist, mitzunehmen, und was es letztendlich heißt, flüchten zu müssen. Petra Welzel
STÄDTISCHE GALERIE BIETIGHEIM-BISSINGEN, HAUPTSTR. 60-64, BIS 26. MÄRZ 2017, DI/MI/FR 14-18 UHR, DO 14-20 UHR, SA/SO 11-18 UHR