Ausgabe 01/2017
Von der Eskalation zum 1. Preis
Die Goldgewinner aus Düsseldorf
Eigentlich ist die Sache klar geregelt: Bei der Festlegung des Urlaubs "sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen". So heißt es im Bundesurlaubsgesetz. Dumm nur, dass die Pflegeschüler/innen des Düsseldorfer Universitätsklinikums trotzdem jahrelang nur Urlaub nach Plan machen durften: drei Wochen im Winter, zwei im Sommer, festgelegt von ihrer Krankenpflegeschule. Nur fünf Tage konnten die Azubis so einsetzen, wie sie wollten.
"Drei Viertel der Auszubildenden waren damit unzufrieden", sagt Manuela Homberg, die Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) an der Uniklinik, "das hatte eine Befragung ergeben." Die Regelung bedeutete ja, "dass man immer nur in der Hauptsaison freimachen und nie flexibel mit Familie oder Freunden planen konnte".
Auf Gespräche wollte sich die Schule jedoch nicht einlassen: Man habe das immer schon so gemacht. Und auf diese Weise könnten die Kurse für die Azubis besser geplant werden. Als die JAV im Sommer 2015 ankündigte, sich damit nicht länger abspeisen zu lassen, war die Reaktion eindeutig: Damit gehe man auf Konfrontationskurs, hieß es postwendend aus der Schule.
Doch Manuela Homberg und ihre Mitstreiter ließen sich nicht einschüchtern. Sie starteten ihre Urlaubsrevolution. In Versammlungen klärten sie die Azubis über ihre Rechte in der Urlaubsplanung und die Gesetzeslage auf und baten sie, ihren Wunschurlaub in eine Tabelle einzutragen. Bei der Schule bissen sie weiter auf Granit: Eine andere Urlaubsplanung sei frühestens 2018/2019 möglich.
In einem Theaterstück machten die JAV-Mitglieder im Winter 2015 schließlich allen Azubis deutlich, wie schwer es ist, die Urlaubsplanung durchzusetzen, und spielten den Gang durch die juristischen Instanzen durch. Gleichzeitig entwarfen sie einen "Eskalationsplan". Der begann mit einem Sitzstreik, der dem Vorstand der Klinik den Zugang zur Personalkantine verwehrte - und weil dabei rund 80 Azubis mitmachten, sei den Managern klargeworden, dass dies keine Aktion allein der JAV gewesen sei, "sondern alle dahinter standen", erinnert sich Manuela Homberg. Gleichzeitig kündigte die JAV weitere Aktionen an, so die Übergabe von Urlaubsscheinen an die Vorstandsmitglieder.
Gemeinsam gegen psychische Belastungen
So viel Druck zeigte schließlich Wirkung: Nach sieben Gesprächen einigten sich Schulleitung und JAV auf eine Dienstvereinbarung. Seit 2016 können in der Düsseldorfer Klinik Auszubildende ihren Urlaub nun frei planen, ab 2017 gilt auch eine entsprechende Dienstvereinbarung. Der Erfolg wurde prompt ausgezeichnet, mit dem Deutschen Personalrätepreis 2016 in Gold. In seiner Laudatio bei der Verleihung würdigte der Staatsrechtler Ulrich Battis die Düsseldorfer Aktion als "beispielhaft". Auch die Schule schmückt sich jetzt mit dem Erfolg: Man sei "sehr stolz, die erste Krankenpflegeschule an den Unikliniken NRWs zu sein, die ihren Auszubildenden einen komplett frei planbaren Urlaub anbieten kann". Für Azubis, die drei Jahre lang im Blockunterricht lernen und in drei Wechselschichten arbeiten, inklusive Wochenend- und Feiertagsarbeit, ist die von ihnen durchgesetzte selbstbestimmte Erholung ein echtes Plus.
Den Personalräte-Preis in Silber erhielten die Personalräte der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der Personalvertretungen (GAP) der Unikliniken Baden-Württemberg. Sie starteten 2015 ein Pilotprojekt, um an der Heidelberger Uniklinik psychische Belastungen bei der Arbeit zu messen und eine Gefährdungsbeurteilung zu geben. Vor allem in den vier Bereichen Wertschätzung, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit und Arbeitsbelastung auf Intensivstationen habe man Defizite festgestellt, sagt Herbert Beck, Personalrat am Uniklinikum Heidelberg. "Jetzt arbeiten Qualitätszirkel an konkreten Maßnahmen, um da Abhilfe zu schaffen." Außerdem soll das Projekt auf die anderen drei baden-württembergischen Universitätskliniken ausgedehnt werden.
Schlagkräftiges Netzwerk
Dass das geht und dass es die dafür verantwortliche gemeinsame Arbeitsgruppe gibt, sei neben dem mit dem Preis ausgezeichneten Projekt das eigentlich Lobenswerte, so Beck. Als die Unikliniken des Landes Ende der 90er-Jahre von Landesbetrieben zu selbstständigen Einrichtungen gemacht worden seien, habe es viel politischen Kampf gebraucht, um das Netzwerk zu erhalten und schließlich per Gesetz zu verankern. "Seitdem ist die Gemeinsame Arbeitsgruppe der Personalvertretungen mit eigenem Budget, Freistellungen und vielen Rechten außerhalb der Mitbestimmung im Landesgesetz verankert", sagt Beck. "Damit können wir für die vier Unikliniken gemeinsame Strategien entwickeln und sind viel schlagkräftiger als die Vertretung eines einzelnen Hauses."
Der Preis in Bronze ging an den Personalrat des Badischen Staatstheaters Karlsruhe (Rubrik "Mein Arbeitsplatz" auf dieser Seite). Der hat es geschafft, dass seit Ende 2014 auch für künstlerische Mitarbeiter/innen erstmals die tatsächliche Arbeitszeit erfasst wird.
Der Deutsche Personalräte-Preis
ist eine Initiative der Fachzeitschrift Der Personalrat. 2016 wurde er zum sechsten Mal gemeinsam vom Bund-Verlag Frankfurt am Main und der HUK-Coburg verliehen. Ausgezeichnet werden Initiativen und Projekte von Personalräten und Jugend- und Auszubildendenvertretungen, die Arbeitsbedingungen, Arbeitsumfeld oder soziale Regelungen für die Beschäftigten verbessern. 2016 bewarben sich 31 Gremien um die fünf Auszeichnungen. Der Personalräte-Preis wird auch in diesem Jahr wieder verliehen. Einsendeschluss: 31. Mai 2017
Informationen auf www.deutscherpersonalraete-preis.de