Aktive vom Bündnis "Reichtum umverteilen - ein gerechtes Land für alle" zeigten am 28. März nach der Pressekonferenz in Berlin, um welche Forderungen es ihnen geht

Am 6. Mai wird es vor dem Düsseldorfer Rathaus am Vormittag ab 11 Uhr turbulent zugehen. Als Millionäre verkleidete attac-Aktivist/innen werden dann einmal mehr die Passanten mit arroganten Sprüchen à la: "Selber schuld, wenn ihr arm seid", nach Kräften irritieren. Dieser Effekt ist erwünscht bei den samstäglichen Aktionen des Bündnisses "Reichtum umverteilen - ein gerechtes Land für alle" in Düsseldorf. Gut eine Woche vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai soll spielerisch und argumentativ vermittelt werden, dass die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik und ihren Bundesländern schon lange verlorengegangen ist.

Ein Monat zuvor, dieselbe Stadt, anderer Ort: Etwas mehr als zehn Aktive aus dem Bündnis sind bei Wolken und kaltem Wind vor den NRW-Landtag gezogen, um Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zum Statement zu bitten. Der Minister stimmt dem stellvertretenden ver.di-Bezirksgeschäftsführer Uwe Foullong zu, dass gerade die Superreichen "im Vergleich zur gesamten Bevölkerung nicht angemessen an den Ausgaben für das Gemeinwesen beteiligt sind". Deshalb müsste diese Gruppe dringend mehr Steuern zahlen, auf ihre Einkommen, auf ihr Vermögen und auf ihre - üppigen - Erbschaften.

Mehr Mittel für öffentliche Aufgaben

Genau darum geht es bei dem Bündnis, das im Wahljahr 2017 nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch bundesweit auf die Diskrepanz aufmerksam machen will zwischen den wachsenden Privatvermögen einiger Weniger und dem grassierenden Geldmangel für öffentliche Aufgaben wie Kitafinanzierung, gute Pflege und anderes. "Die aktuellen Steuereinnahmen reichen ganz offenkundig nicht für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, eine bessere Bildung und auch nicht für mehr Betriebsprüfer, die Steuerhinterziehung aufdecken", sagt Uwe Foullong. Auch da stimmt der Minister zu und betont, dass NRW diverse Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht hat, die für mehr Steuergerechtigkeit sorgen sollten, wegen der fehlenden Mehrheiten bisher aber nicht durchsetzbar waren. Als im Gespräch das Wort "Steuersünder" fällt, kontert Walter-Borjans, das sei verharmlosend, es handele sich um Steuerbetrüger, die als solche benannt und bestraft werden müssten.

In der Bundesrepublik ist inzwischen eine Generation herangewachsen, die gar keine Vermögenssteuer mehr kennt. Tatsächlich gab es eine solche Steuer bis 1996. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 wurde sie ausgesetzt - allerdings nicht etwa, weil die Richter/innen grundsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Vermögenssteuer in Zweifel zogen, sondern weil sie die ungleiche Steuerbemessung bei Geldvermögen im Vergleich zu Immobilienvermögen für verfassungswidrig erklärten. Seitdem hätte es demnach sehr viel Zeit gegeben, die Vermögenssteuer neu und verfassungskonform zu regeln. Doch das geschah nicht.

Vermögenssteuer wieder einführen!

In einer Hintergrundinformation des Bündnisses "Reichtum umverteilen" werden akribisch die Vorteile einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer aufgeführt, die in jedem Fall nur die wirklich Reichen zahlen sollten. "Bei einem Freibetrag von einer Million Euro wären schätzungsweise 400.000 Personen betroffen - die Reichsten unserer Gesellschaft, jenes eine Prozent der Bevölkerung, das etwa ein Drittel des Gesamtvermögens besitzt." Denn auch während der Wirtschaftskrise sind die Vermögen der Superreichen keineswegs geschrumpft. Vielmehr haben sie weiter kräftig an Umfang zugelegt und betragen derzeit mehr als 2,5 Billionen Euro - was übrigens, wie das Bündnis schreibt, mehr ist, "als alle öffentlichen Haushalte zusammen an Schulden haben".

Doch dem Bündnis geht es nicht allein um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, um den Not leidenden Haushalten der Länder und Kommunen die nötigen Mittel für Investitionen in die soziale Infrastruktur zu verschaffen. Falsch seien ebenfalls die Senkung des Spitzensteuersatzes für hohe und höchste Einkommen sowie die pauschale Besteuerung der Kapitalerträge mit nur 25 Prozent gewesen. Auch NRW-Finanzminister Walter-Borjans sprach sich Anfang April klar dafür aus, die Einkünfte aus Kapital künftig differenzierter zu besteuern. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hatte Ende März in Berlin bei der Präsentation des Bündnisses "Reichtum umverteilen" auf Bundesebene ebenso klargestellt: "Kapitalerträge dürfen gegenüber Arbeitseinkommen nicht weiter privilegiert werden."

Die Armen tragen die höchsten Lasten

Faktisch bringen mittlerweile wegen der ungerechten Steuerpolitik der zurückliegenden zwanzig Jahre die ärmeren und ärmsten Teile der Bevölkerung die meisten Steuern auf. Betrachtet man nur die Einkommenssteuer, tragen die einkommensstärksten zehn Prozent der Bürger/innen mit 59 Prozent tatsächlich den größten Teil an dieser Steuer, heißt es in der Hintergrundinformation des Bündnisses mit Bezug auf die aktuelle Studie Wer trägt die Steuerlast? (HBS-Study Nr. 347, 2016). Allerdings sage das wenig über die gesamte Lastenverteilung aus. "Einen großen Teil des Gesamtsteueraufkommens machen die Konsumsteuern aus (Mehrwert-, Energie-, Alkohol-, Tabak-, Versicherungssteuer, Grundsteuer, Kfz.-Steuer usw.)", heißt es im Hintergrundbericht. Würden direkte und indirekte Steuern zusammen betrachtet, ergebe sich eine überproportionale Belastung der unteren gegenüber den mittleren Einkommensgruppen, während die der Reichen nur geringfügig über deren Belastung liege. Und so sei ein zentrales Ergebnis der Studie Wer trägt die Steuerlast?, dass "die Steuerreformen seit Ende der 1990er Jahre dazu geführt haben, dass die reichen Haushalte steuerlich stark entlastet wurden, während die untere Hälfte und besonders die armen Haushalte erheblich mehr Steuer zahlen müssen als früher".

Bis Ende der 90er Jahre betrug der Spitzensteuersatz 53 Prozent. Die damalige rot-grüne Bundesregierung senkte ihn auf 42 Prozent. Mit diesem Satz wird Einkommen besteuert, das bei Singles ohne Kinder über 52.057 Euro hinausgeht; die Reichensteuer in Höhe von 45 Prozent wird erst für alles erhoben, was bei Singles ein Jahreseinkommen von 256.304 Euro übersteigt.

Durch Grundfreibetrag, niedrigere Besteuerung bis zum Spitzensatz sowie durch den Abzug steuermindernder Aufwendungen kommt am Ende bei den Wohlhabenden eine viel geringere Steuerquote heraus. "Bei 54.000 Euro liegt die Gesamtbelastung etwa bei 26 Prozent, nicht etwa 42 Prozent", heißt es im Bericht. Auf der anderen Seite bedeutete die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent eine erhebliche Mehrbelastung der schlechter gestellten Bevölkerungsschichten.

Bei ihren Informationsveranstaltungen in der Düsseldorfer Innenstadt erhalten die Bündnis-Aktivist/innen regelmäßig sehr viel Zustimmung von den Passant/innen. "Ich muss eine Menge erklären, aber die Leute interessieren sich sehr für unsere Themen", stellt die ver.di-Ehrenamtliche Martine Sczigiol-Weber bei ihren Einsätzen immer wieder fest. Und fast jede/r könne ein Beispiel aus dem eigenen Umfeld beisteuern, wo durchs Kaputtsparen etwa eine Turnhalle marode geworden oder das Personal einer Krankenhausstation durch Unterbesetzung komplett überlastet sei. "Es sind auch schon erkennbar gut betuchte Mitbürger/innen zu uns gekommen und haben gesagt, dass sie nichts gegen eine höhere Belastung hätten", sagt Uwe Foullong. Das Thema "Reichtum umverteilen" scheint überall in der Gesellschaft angekommen zu sein.

Termin:

26. April, Westfälische Hochschule, Campus Recklinghausen (August-Schmidt-Ring 10, Gebäude III, Hörsaal D): Diskussionsveranstaltung "Reichtum umverteilen - öffentliche Einnahmen stärken - Investitionen steigern" mit Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup und Uwe Foullong von ver.di


Das Bündnis

Die Behauptung, "die" Deutschen würden immer reicher, ist falsch. Zwar stiegen Einkommen und Vermögen in den zurückliegenden Jahren, doch nur eine kleine Minderheit profitiert davon kräftig: So verbuchen die Allerreichsten die größten Vermögenszuwächse; ein Prozent der Bundesbürger besitzt ein Drittel des gesamten privaten Nettovermögens, zehn Prozent verfügen über zwei Drittel. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat nichts oder so gut wie nichts auf der hohen Kante.

Um diese zunehmende materielle Ungleichheit geht es dem Bündnis "Reichtum umverteilen - ein gerechtes Land für alle": Umverteilung durch mehr Steuergerechtigkeit. Ende März stellten Frank Bsirske für ver.di, Ulrich Schneider für den Paritätischen Gesamtverband, Barbara Eschen für die Nationale Armutskonferenz und Ulrich Ropertz für den Deutschen Mieterbund das Bündnis der Öffentlichkeit vor. 30 Organisationen gehören ihm an, neben Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jugendverbänden auch Migranten- und Umweltorganisationen. Ziel ist, im Wahljahr 2017 Themen wie Steuer- und Umverteilungspolitik stärker in den Fokus zu rücken.

In Nordrhein-Westfalen, wo am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt wird, mobilisiert das Bündnis NRW für den 6. Mai zum landesweiten Umverteilen-Aktionstag. Bisher stehen als Veranstaltungsorte Düsseldorf, Dortmund und Bochum fest.

Mehr Infos und Unterschriftensammlung auf www.reichtum-umverteilen.de