Gruppenbild mit Oberbürgermeister: ver.di-Aktive vom "Weißen Block" am 1. Mai mit OB Dieter Reiter, der sich mit ihren Forderungen solidarisiert. 3. v. r. Gaby Vogler, 2. v. r. Ingrid Greif.

"Wie war die Nachtschicht?" "Ganz gut", sagt Gaby Vogler und ärgert sich sofort über die eigene Aussage: "Das ist wohl eine Krankheit unseres Berufsstandes, auch schlechte Verhältnisse schönzureden. Vor lauter Verantwortungsbewusstsein für die Patienten vergessen wir unsere eigenen Interessen." Denn natürlich sei es auch in der letzten Nacht nicht gut gewesen. Es war der normale Stress, aber eben ohne Notfälle, die alle Arbeitspläne über den Haufen schmeißen.

Zwei Pflegerinnen waren gestern in der Nachtschicht. Eigentlich dürfe es nach der Personalbemessung nur eine sein: "Das ist nicht zu schaffen, zwei müssen es unbedingt sein." Das Dilemma: Die Gesamtzahl der Mitarbeiter wird nicht erhöht. Die zusätzliche Kraft fehlt deshalb bei den Mitarbeitern der Früh- oder Spätschicht, die genauso überbelastet sind. Am Personal werde in allen Krankenhäusern gespart, so Gaby Vogler. Auf zehn bis zwanzig Patienten komme eine Stelle. Außerdem: "Es zählen nur die Betten, nicht wer drin liegt." Dies führe zur Überbelastung der Pflegekräfte - und es fehle die Zeit für gute Betreuung.

Gaby Vogler ist seit über 40 Jahren Krankenschwester in einer städtischen Klinik - mit Leidenschaft und Anspruch. Schon als Neunjährige wusste sie, dass sie später einmal Krankenschwester werden will: "Es ist der schönste Beruf, man hat mit Menschen zu tun, man kann helfen." Dieser hohe Anspruch macht ihr heute Probleme: "Heimzugehen mit dem Gefühl, die Patienten nicht so gut versorgen zu können, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht, macht krank." Die Patienten bräuchten qualifizierte Pflege, aber auch menschliche Ansprache. Immer die Angst, nicht alles erfüllen zu können, das belastet viele psychisch. Manche geben deshalb auch den Beruf auf.

Patienten und Pflegekräfte leiden gemeinsam unter dieser Situation. "So darf es nicht weitergehen", fordert Ingrid Greif, Betriebsrätin und aktive Gewerkschafterin. Als "Weißer Block" machten Krankenhausbeschäftigte deshalb am 1. Mai in München mit einem großen Transparent auf ihre Situation aufmerksam.

Unterschriften für einen Appell für mehr Krankenhauspersonal wurden gesammelt, die der bayerischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege und dem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, übergeben werden sollen. Gefordert wird eine gesetzliche Regelung für mehr Personal und Qualität. Eine Mindestbesetzung bei der Pflege soll für alle Krankenhäuser vorgeschrieben werden. ver.di fordert die Arbeitergeber zusätzlich zum Abschluss eines "Tarifvertrags Entlastung" auf, damit mehr Personal eingesetzt wird. Nach Berechnungen von ver.di fehlen allein in Bayern 21.000 Beschäftigte, davon etwa 10.000 in der Pflege. Tarifverträge würden allerdings eine gesetzliche Regelung nicht ersetzen. Nur dadurch wäre gewährleistet, dass sich alle Krankenhäuser, egal ob öffentlich oder privat, daran halten müssen.

Ingrid Greif: "Sonst hätten ausgerechnet die Krankenhäuser, die sich Tarifverträgen verweigern, keinen Betriebsrat haben und wo die Beschäftigten zu schlecht organisiert sind, um sich durchzusetzen, auch noch einen Wettbewerbsvorteil." Der Gesetzgeber sei auch in anderer Weise gefordert: bei der Finanzierung der Krankenhäuser. "Der ungesunde Spardruck muss raus", fordert In-grid Greif, "Kliniken sind ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge und da schadet eine Wettbewerbsideologie."

Eric Stadler

Patientenwunsch

"... falls ich mal Hilfe im Krankenhaus benötige, möchte ich keine völlig überarbeitete Krankenschwester oder einen Pfleger, der mich als ein Zeitproblem ansieht. Dann möchte ich als Mensch mit Sorgen um seine Gesundheit wahrgenommen werden. Außerdem sollte Zeit für ein paar aufmunternde Worte sein..."

Eric Stadler, Betriebsrat bei der Postbank in München