ELLEN PASCHKE ist Mitglied im ver.di-Bundes- vorstand

ver.di PUBLIK | Die Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht vom Schicksalsjahr 2008. Dann würden 42 Prozent der 2100 deutschen Krankenhäuser Verluste schreiben. Ein Drittel der Häuser plant schon jetzt den weiteren Stellenabbau, vor allem in den Pflegeberufen. Ist ver.di für diese Auseinandersetzung gewappnet?

PASCHKE | Von Gesundheitsreform zu Gesundheitsreform sind bei den Krankenhäusern die Schrauben mehr angezogen worden. Die Krankenhäuser bekommen nicht das Geld, das sie für den medizinischen Fortschritt und ihre Innovationen brauchen. Sie holen sich das fehlende Geld beim Personal, vor allem durch Personalabbau. Bezahlt haben das die Beschäftigten mit einer gewaltigen Arbeitsverdichtung. Besonders dramatisch ist es in der Pflege, aber betroffen sind alle. Wir beobachten, dass sich in den Krankenhäusern die Stimmung dreht. Es reicht jetzt, sagen die Kolleg/innen, jetzt sind wir mal dran. Und sie haben Recht! Das ist eine gute Voraussetzung für die Tarifauseinandersetzung, die bevorsteht.

ver.di PUBLIK | Viele Krankenhäuser suchen zwar Ärzte, aber elf von hundert halten auch einen Abbau von Stellen im ärztlichen Dienst für angezeigt. Fällt den Krankenhäusern jetzt der hohe Abschluss für die Mediziner mit dem Marburger Bund vom letzten Jahr auf die Füße?

PASCHKE | Seit Seehofers Gesundheitsreform 1992 fällt den Krankenhäusern jeder Tarifabschluss auf die Füße, weil damals ein entsprechender Mechanismus ins Gesetz eingebaut wurde, der seither mehrfach verschärft worden ist. Richtig ist, dass die Krankenhäuser seit dem Tarifabschluss für die Ärzt/innen nun auch verstärkt nach Wegen suchen, wie sie im ärztlichen Dienst sparen können. Unter anderem wollen sie ärztliche Tätigkeiten auf die Pflege verlagern. Wenn es nach den Arbeitgebern geht, sollen die Krankenschwestern und -pfleger das zusätzlich erledigen, aber Geld sollen sie dafür nicht bekommen.

ver.di PUBLIK | War diese Entwicklung eigentlich absehbar?

PASCHKE | Wer im Krankenhaus arbeitet, ist davon nicht überrascht. Die Bevölkerung erwartet höchste Gesundheitsleistungen auf dem neuesten Stand der Medizin, und das ist gut so. Es kann aber nicht sein, dass die Politik dafür kein Geld locker machen will und lieber die Unternehmenssteuern ein weiteres Mal senkt.

ver.di PUBLIK | Und, wird nun 2008 ein Schicksalsjahr für die Krankenhauslandschaft?

PASCHKE | Schicksalsjahr finde ich ein bisschen dick aufgetragen. ver.di hat sich in den letzten Jahren dafür stark gemacht, dass die Krankenhäuser geöffnet werden für ambulantes Operieren und spezielle Chronikerprogramme. Das hat den Krankenhäusern auch auf der Einnahmeseite geholfen. Wie 2008 für die Krankenhäuser läuft, hängt auch davon ab, ob die Bürger/innen es der Politik weiter gestatten wollen, dass den Krankenhäusern und ihren Beschäftigten die Luft abgeschnürt wird. Oder ob sie sagen: Wir wollen im Krankenhaus gut behandelt werden, also wollen wir auch, dass die Beschäftigten dort gut behandelt und mit ihren Einkommen an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt werden.