Von Gudrun Giese

Zalndo ist gut im Geschäft, aber noch nicht gut zu seinen Beschäftigten

Das kam überraschend: Die Geschäftsleitung von Zalando Brieselang hatte nicht damit gerechnet, bei der Betriebsversammlung am 25. April Tarifforderungen zu erhalten. Zwei Tage zuvor hatten die ver.di-Mitglieder unter den Beschäftigten des Standorts eine Tarifkommission gewählt und beschlossen, Zalando zu Tarifverhandlungen aufzufordern. Mitte Mai hat der Arbeitgeber nun Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die Tarifparteien werden am 13. Juni zusammentreffen.

Dass es erstmals in der Geschichte des Internethändlers Zalando zur Aufnahme von Tarifverhandlungen kommt, hängt mit der Entschlossenheit der Belegschaft in Brieselang und mit der Arbeit des ver.di-Sekretärs Markus Hoffmann-Achenbach aus dem Bezirk Potsdam-Nordwestbrandenburg zusammen. "Die Bezahlung ist schlecht, Aufstiegschancen existieren kaum", sagt er. Das habe den Unmut bei den Beschäftigten geweckt. Diese Unzufriedenheit konstruktiv in eine rege ver.di-Betriebsgruppenarbeit umzuwandeln, das gehört ebenso zur positiven Entwicklung wie die Arbeit der Vertrauensleute und des Betriebsrates.

Konspirativer Beginn

"Am Anfang lief alles sehr konspirativ", erinnert sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Bernd Hoffmann, der auch Gründungsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe war. "Es gab nur wenige Gewerkschaftsmitglieder, die im August 2014 die Wahl der ersten Arbeitnehmervertretung vorbereiteten." Seitdem ist das Engagement im Betrieb rasant gewachsen. Ab einer Zahl von 360 Mitgliedern plante ver.di, eine Tarifkommission wählen zu lassen, da das der Hälfte der unbefristet Beschäftigten bei Zalando Brieselang entspricht. Inzwischen gibt es am Standort mehr als 400 Mitglieder. Und die wollen mitmischen.

Das zeigte sich bei der Versammlung am 23. April, auf der 85 ver.di-Mitglieder ihre neunköpfige Tarifkommission wählten. In kurzen Vorstellungen veranschaulichten die Kandidat/innen die Maximen gewerkschaftlicher Basisarbeit: Einsatz für mehr Gerechtigkeit und die Einsicht, dass nur gemeinsames Handeln zum Erfolg führt. Deutlich wurde in ihren Worten, wie nötig ein Tarifvertrag ist. Konny Wronowski, seit 2012 bei Zalando Brieselang, schilderte, wie froh er anfangs war, im Alter von damals 56 Jahren einen Job bekommen zu haben. "Ich habe aber schnell gemerkt, wie ungerecht es bei Zalando zugeht - bei der Bezahlung, beim Urlaub, Befristungen und vielem mehr." So kam er zu ver.di, wurde Sprecher der Vertrauensleute im Betrieb und nun auch Mitglied der Tarifkommission.

Gute Geschäfte

Zalando, 2008 als Start-up in Berlin gegründet, ist seit 2011 in Brieselang. Dort gehen Bestellungen ein, werden Waren versendet sowie Retouren bearbeitet. Rund 1.250 Stammbeschäftigte sowie zwischen 200 und 300 Leiharbeitskräfte arbeiten hier. Lediglich 720 Beschäftigte sind unbefristet angestellt. Das einstige Start-up hat sich zur Societé Europeen (SE) & Co KG gewandelt, an der die schwedische Investmentgesellschaft Kinnevik mit 30 Prozent das größte Anteilspaket hält.

"Zalando macht gute Geschäfte und muss seine Beschäftigten vernünftig bezahlen", sagt Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, die die Tarifverhandlungen führen wird. "Bisher zahlt das Unternehmen den im Lager Arbeitenden nur 10,15 Euro pro Stunde." Da das Unternehmen an Endkunden verkaufe, sei es ein (Online-)Versandhändler, der seine Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels bezahlen sollte. Das wären 11,71 Stundenlohn für einfache und 12,52 Euro für qualifiziertere Lagerarbeiten.

Im Mai wurde auch am Zalando-Standort Erfurt erstmals ein Betriebsrat gewählt, der bundesweit vierte im Unternehmen.