Interview mit Baki Selcuk, Betriebsratsvorsitzender am Helios-Klinikum "Emil von Behring" in Berlin

Baki Selcuk

ver.di publik - Helios muss wegen nicht gewährter Pausen 88.000 Euro Bußgeld zahlen, der Betriebsrat setzte sich vor Gericht durch. Wie kam das?

Baki Selcuk - Eine lange Geschichte. Schon Ende der 80er Jahre sind wir, damals noch als Personalrat, vor Gericht gezogen und haben eine Pausenregelung für die Beschäftigten durchgesetzt. Nach der Übernahme des ehemaligen Krankenhauses Berlin-Zehlendorf durch den Helios-Konzern im Jahr 2004 wurde das Personal deutlich reduziert. Seitdem können die Beschäftigten immer öfter keine Pausen nehmen. Das wurde zur Gefahr für sie - und für die Patienten. Wir haben immer wieder gefordert, dass sich was ändern muss, aber es tat sich nichts. Und wir haben die Kollegen aufgeklärt: Was sagt das Gesetz, was bedeuten Pausen für euch? Der Arbeitgeber muss euch dafür von der Arbeit freistellen; wenn ihr "nebenbei" doch arbeitet, sind es keine Pausen. Wir haben schließlich Formulare für Pausenausfallanzeigen entwickelt.

ver.di publik - Wie haben die Beschäftigten reagiert?

Selcuk - Zuerst waren viele ängstlich, aber dann haben immer mehr dokumentiert, dass sie oft keine Pausen nehmen können. Da sich nichts änderte, haben wir 2012 die Klage vorbereitet und einige Fälle vors Arbeitsgericht und dann vors Landesarbeitsgericht gebracht. Das Gericht entschied sich für die notwendige Gewährung der Pausen laut Arbeitsgesetz und ließ keine Beschwerde gegen das Urteil zu. Dagegen zog der Arbeitgeber sogar noch vors Bundesarbeitsgericht - und wurde abgewiesen.

ver.di publik - Verbesserte sich die Situation?

Selcuk - Nein. Deshalb haben wir im vorigen Jahr noch mal ein Verfahren eingeleitet. Mit 57 ausgewählten Beispielfällen von Beschäftigten klagten wir wieder vor dem Arbeitsgericht. Gravierend finde ich, dass der Arbeitgeber dann behauptet hat, die Kollegen würden Pausen nehmen und trotzdem Ausfallanzeigen schreiben. Eine Frechheit! Wir mussten also wieder vors Landesarbeitsgericht gehen. Das forderte die Beschäftigten zu schriftlichen Stellungnahmen auf, bekam die auch und fand sie überzeugend. Es entschied jetzt, dass Helios in 44 Fällen wegen der nicht gegebenen Pausen ein Bußgeld zahlen muss, 2.000 Euro pro Fall!

ver.di publik - Ein Erfolg.

Selcuk - Schon, aber der Arbeitgeber will nun möglicherweise noch mal vors Bundesarbeitsgericht ziehen. Statt endlich mit dem Betriebsrat zu sprechen, wählt er diesen Weg. Gleichzeitig bekommen wir mehr und mehr Pausenausfallanzeigen von den Kollegen. Wenn sich nichts ändert, gehen wir noch mal vor Gericht. Wir können schließlich nicht einfach zugucken, wenn die Pausen weiter nicht genommen werden können. Viele Kollegen würden inzwischen gern direkt vor Gericht aussagen, was sie täglich erleben. Vielleicht kommt es noch dazu. Sie finden es jedenfalls gut, dass unser Betriebsrat nicht kuscht.

Interview: Claudia von Zglinicki