Ausgabe 05/2017
Alles so sozial hier
Nun ist es also durch den Bundestag, das Gesetz gegen "Hasskriminalität" und andere strafbare Inhalte im Internet. Wie mag es funktionieren? Greift es, wenn sich jemand verletzt fühlt durch eine der "offensichtlich rechtswidrigen" absurden Lügen oder Beleidigungen, mit denen sich tausende von selbsternannten Welterklärern durch die Netze wüten? Kann er sich darüber jetzt bei der Firma Twitter beklagen, und flugs ist der Stein des Anstoßes vom Winde verweht? Oder setzen Facebook, YouTube und Co. auf ihre berühmten Algorithmen, um Unerwünschtes automatisch und radikal aus dem Netz zu entfernen? Schon der Name des neuen Gesetzes lässt Unrat wittern. Der flüchtige Leser hatte zunächst "Netzwerkdurchsuchungsgesetz" verstanden und gedacht: Dolles Ding, jetzt stoßen sie ihre Bürger schon bei der Gesetzesbezeichnung mit der Nase auf ihre wahren Absichten. Aber nein, das Gesetz gegen Hate Speech (Hasstiraden) und Fake News (Lügen) im Internet heißt tatsächlich drei Buchstaben anders, nämlich Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Und auch der komplette Name - Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken - hinterlässt Fragen. Brauchen wir denn jetzt Gesetze zur Durchsetzung von Gesetzen? Vielleicht. Allerdings wäre dann ein "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in der Arbeitswelt" (ArbW-DG) auch schön. Aber Scherz beiseite, denn mit seiner unkritischen Aufnahme in den Namen eines Gesetzes hat es der aufgeladene Begriff "Soziale Medien" geschafft, nun auch juristisch gesellschaftsfähig zu werden. Obwohl er selber ein Fake ist, schlampig übernommen aus dem Englischen, wo Facebook & Co. zu den "Social Media" gehören - "social" im Sinne von "gesellig" oder auch "außerdienstlich". Das englische "social" hat nur wenig mit dem zu tun, was wir gemeinhin unter "sozial" verstehen. Aber während für tausend deutsche Begriffe sinnwidrige englische Bezeichnungen Platz greifen (Meeting, Handout, Hard Copy), macht - umgekehrt - ausgerechnet "Social media" als "Soziale Medien" Karriere - weil es so heimelig, so sozial klingt. Und wohinter sich manche mit ihren Hasstiraden und Lügen so schön verstecken können.
H. Müller