Mehr Geld und mehr Personal sind nötig, damit die Pflegearbeit wieder aufgewertet und die Versorgung von Patient/innen verbessert wird Krankenhaus

Wer selbst mal im Krankenhaus gelegen oder Angehörige dort besucht hat, muss feststellen, dass im deutschen Gesundheitssystem einiges im Argen liegt. Kliniken sind hierzulande chronisch unterfinanziert, die Beschäftigten arbeiten ständig am Limit, egal auf welcher Station, gleich ob in der Pflege, bei der Reinigung oder in der Verwaltung, egal bei welchem Träger. Eine Pflegekraft versorgt im Durchschnitt 13 Patient/innen, das ist die rote Laterne im europäischen Vergleich bei der Ausstattung mit Pflegepersonal. In den Niederlanden ist die Pflegekraft für 7 Patienten verantwortlich, in Norwegen für 5.

Nach ver.di-Berechnungen fehlen in den Krankenhäusern hierzulande 162.000 Vollzeitkräfte, 70.000 von ihnen in der Pflege. Für die Beschäftigten bedeutet das einen enormen Druck in der Arbeit mit Menschen, was sich auch in einem überdurchschnittlichen Krankenstand und einer hohen Zahl von Überstunden widerspiegelt. Daher erwartet ver.di von der kommenden Bundesregierung eine bundeseinheitliche, gesetzliche Personalbemessung mit entsprechender zweckgebundener Finanzierung für alle Bereiche der Pflege.

Alle Maßnahmen, die bislang auf den Weg gebracht wurden, reichen nicht aus. Über das Pflegestellen-Förderprogramm können in den nächsten Jahren nur bis zu 6.200 Stellen zusätzlich finanziert werden. Und über Personaluntergrenzen wird bislang nur in pflegeintensiven Bereichen verhandelt. Das können nur erste Schritte sein. ver.di fordert hingegen als Sofortprogramm, dass in keiner Schicht mehr alleine gearbeitet werden darf und dass Praxisanleiter/innen für die Ausbildung freigestellt werden. Allein dafür sind 20.000 zusätzliche Vollzeitstellen notwendig, die mit Pflegefachkräften zu besetzen sind.

Hinzu kommt, dass der Personalbereich in Kliniken oft benutzt wird, um fehlende Investitionszahlungen der Länder auszugleichen oder bei privaten Klinikkonzernen Dividenden für die Aktionäre auszuzahlen. ver.di macht sich dafür stark, dass sowohl Versichertenbeiträge als auch Steuermittel für eine patientengerechte Versorgung eingesetzt werden müssen. Denn Patientinnen und Patienten müssen sich unabhängig von ihrem Einkommen darauf verlassen können, nach neuesten medizinischen Erkenntnissen und in hoher Qualität behandelt zu werden - in jedem Krankenhaus.

Gesetzliche Krankenversicherung

Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzieren den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zu gleichen Teilen - das war einmal. Anfang 2015 hat die schwarz-rote Bundesregierung die paritätische Finanzierung de facto abgeschafft. Festgelegt wurde ein allgemeiner Beitragssatz von 14,6 Prozent, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin teilen, also jeweils 7,3 Prozent zahlen. Doch der Arbeitgeberanteil wurde bei diesen 7,3 Prozent eingefroren. Beitragssteigerungen tragen die Arbeitnehmer seither alleine, und die machen mittlerweile schon einen Zusatzbeitrag von durchschnittlich 1,1 Prozentpunkten aus. Angesichts von bereits angestoßenen und noch notwendigen Reformvorhaben rechnen die Krankenkassen mit weiter steigenden Zusatzbeiträgen.

ver.di macht sich stark für die Abschaffung der jetzigen Zusatzbeitragsregelung und die gesetzliche Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung. Denn es sind nicht allein die Krankenversicherungsbeiträge, von denen die Versicherten de facto mehr als die Hälfte bezahlen müssen. Immer mehr Gesundheitsleistungen müssen privat bezahlt werden, zum Beispiel Zahnersatz für Erwachsene. Aber auch immer mehr Medikamente, Heil- oder Hilfsmittel zahlen abhängig Beschäftigte aus eigener Tasche.

Gleichzeitig soll die Beitragssatzautonomie der Krankenkassen gestärkt werden, ebenso wie das Sachleistungsprinzip erhalten und gestärkt werden muss. Um die Krankenversicherung auf eine breitere Basis zu stellen, macht sich ver.di für eine Bürgerversicherung stark. In ihr ist das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung auf der Basis gleicher Vorschriften und Versicherungsbedingungen geregelt.

Pflege

Um die Qualität der Pflege zu sichern, wurde zum 1. Januar 2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Jetzt werden Pflegebedürftige gleichermaßen auf körperliche, geistige und psychische Einschränkungen der Selbstständigkeit hin begutachtet. Das begrüßt ver.di. Aber gute Pflege braucht Zeit und Zuwendung. Daher müssen diejenigen unterstützt werden, die täglich Pflege leisten. In Pflegeeinrichtungen fehlt dafür oft das Personal, auch hier müssen bundesweit einheitliche Vorgaben für Personalbemessung gelten. Denn das ist nur mit mehr Personal zu schaffen. Aber auch die häusliche Pflege durch Angehörige muss stärker durch ambulante Dienste und niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote unterstützt werden.

Pflegeversicherung

1995 wurde die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt. Ein Meilenstein. Aber als Teilkostenversicherung stößt sie an ihre Grenzen. Die Leistungen wurden nicht an die Preis- und Lohnentwicklung angepasst, sodass es zum Beispiel in der vollstationären Pflege zu einem Realwertverlust von 25 Prozent gekommen ist. Daher müssen die Zahlungen angehoben und zukünftig auch automatisch dynamisiert werden, sonst ist eine zeitgemäße und angemessen bezahlte Pflege nicht möglich.

Grundsätzlich sind pflegebedingte Aufgaben in vollem Umfang von der Sozialen Pflegeversicherung zu übernehmen. ver.di hat ein Konzept für eine Pflegevollversicherung vorgelegt. Denn niemand soll sich fragen müssen, ob im Pflegefall die Ersparnisse ausreichen, der Gang zum Sozialamt erforderlich ist oder gar Kinder oder Enkel zur Finanzierung von oft erheblichen Eigenanteilen herangezogen werden müssen. Eine Pflegevollversicherung bietet die Voraussetzungen für die moderne Ausgestaltung der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit. Durch sie kann die Versorgungsqualität verbessert und das Leistungsangebot ausgeweitet werden, damit Pflegebedürftigen weiter am öffentlichen Leben teilnehmen können.

Katja Gerhart, 30, Krankenschwester in der Geriatrie der SHG-Kliniken Sonnenberg, Saarbrücken

Gesetzliche Personalbemessung jetzt

Seit zwölf Jahren arbeite ich als Krankenschwester. In den zwölf Jahren ist die Personalsituation immer schlimmer geworden, auch durch die Einführung von Fallpauschalen. Kolleg/innen sind in Rente gegangen, Stellen wurden nicht mehr nachbesetzt. Wir haben bei uns am Klinikum zwar interne Vorschriften zur Mindestbesetzung auf den Stationen, aber dennoch immer noch weniger Personal als notwendig. Und wenn jemand krank ist, haben wir keinen Pool mehr, aus dem wir Ersatz bekommen können. Wir versuchen, alles Machbare auch zu machen, denn wir arbeiten mit Menschen. Aber die Pflege ist eher zur Massenabfertigung geworden. Oft sind wir nachts alleine auf der Station, das ist sehr belastend. Personal fehlt in allen Bereichen, nicht nur in der Pflege, und das nicht nur bei uns, sondern bundesweit in allen Krankenhäusern.

Deswegen müssen die Fallpauschalen abgeschafft werden. Und wir brauchen gesetzliche Vorgaben für die Personalbemessung, damit feststeht, in welchen Bereichen eine Pflegekraft für wie viele Patient/innen verantwortlich ist und nicht mehr alleine auf einer Station ist. Diese Vorgaben müssen aber auch kontrolliert werden, die Nichteinhaltung muss Konsequenzen haben. Krankenschwester ist immer noch mein Wunschberuf. Ich würde ihn wieder wählen, auch wenn ich weiß, dass ich das unter diesen Bedingungen nicht bis zur Rente durchhalten kann.