Noch kurz vor dem Regierungswechsel 2013 hat die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung eine Änderung im Personenbeförderungsgesetz durchgedrückt. Seither sind die Kommunen verpflichtet, in einem Ausschreibungsverfahren für den Betrieb des Öffentlichen Personennahverkehrs dem Bewerber den Zuschlag zu geben, der angibt, er werde die Leistung eigenwirtschaftlich erbringen und auf Zuschüsse der Kommune verzichten.

Tariflich vereinbarte gute Arbeitsbedingungen, guter Lohn oder der Schutz der Beschäftigten zählen da nicht mehr. Als erste haben das Anfang des Jahres die Beschäftigten des Traditionsunternehmens Stadtverkehr Pforzheim (SVP) zu spüren bekommen. Der eigenwirtschaftliche Antrag der Bahn-Tochter Südwestbus erhielt den Zuschlag, bei ihr liegt das Lohnniveau allerdings 30 Prozent unter dem des SVP. Die überwiegende Zahl der 250 SVP-Beschäftigten hat durch den Anbieterwechsel ihre Arbeitsplätze verloren, das über 100 Jahre alte Unternehmen SVP wurde zerschlagen.

Standards vorgeben

Im öffentlichen Nahverkehr mit Bussen, Straßen-, Stadt- und U-Bahnen arbeiten derzeit zirka 130.000 Beschäftigte, weitere rund 56.000 bei meist mittelständischen Subunternehmen, die Fahrleistungen übernehmen. In den kommenden Jahren werden 90 Prozent der Vergaben im öffentlichen Nahverkehr neu ausgeschrieben. Daher brauchen wir eine Klausel im Personenbeförderungsgesetz, die es den Kommunen erlaubt, Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards vorzugeben. Dabei geht es zum einen um die Arbeitsplätze, aber zum anderen auch um die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs.

Marco Steinborn, 34, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Kölner Verkehrs-Betriebe

Mitte September wird die Vorabbekanntmachung zur Ausschreibung der Strecken des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Köln im Rat der Stadt beraten. Da es um den Betrieb des kompletten Verkehrsnetzes, also mit Bussen und Bahnen, geht, sind wir recht optimistisch, dass es zu keinem eigenwirtschaftlichen Antrag kommt. Sicher sein können wir uns aber nicht, denn es ist ja möglich, dass ein großer multinationaler Konzern ein solches Angebot abgibt, weil er einen Einstieg in den deutschen Markt schaffen will. Die KVB AG hat 3.500 Beschäftigte, Tendenz steigend. Köln und Umgebung sind dringend auf einen guten und funktionierenden ÖPNV angewiesen. Wir haben uns, auch mit Hilfe von ver.di, gut vorbereitet auf die Ausschreibung und werden juristisch begleitet.

Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Anträge ist zu einem großen Problem für Nahverkehrsanbieter in ganz Deutschland geworden. Wir haben mit den Betriebsräten von 203 Nahverkehrsunternehmen einen Brief an alle Bundestagsabgeordneten geschrieben und sie auf das Problem aufmerksam gemacht. Für die Parteien wäre es einfach, durch eine Präzisierung des Personenbeförderungsgesetzes wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen für die Ausschreibungen festzulegen.