Bremer "Zombie-Walk" vor einer H&M-Filiale

Freitagnachmittag in der Bremer Sögestraße. Ein Mitarbeiter der "Suppenengel" steht neben einer Filiale der Modekette H&M. Er sammelt dort regelmäßig Spenden, damit der Verein Essen an Bedürftige austeilen kann. An diesem Freitag, dem 13., muss sich der "Suppenengel" den Platz mit dem Tod teilen. Denn vor dem Shop protestieren ver.di-Gewerkschafter gegen die Arbeitsbedingungen bei dem schwedischen Konzern - als Sensenmann und in Kostümen anderer Gruselgestalten.

Der Bremer "Zombie-Walk" ist Teil eines bundesweiten Aktionstags in 17 Städten, der von der "aktion./.arbeitsunrecht" ausgerufen wurde und von ver.di unterstützt wird. Natürlich müssen sich die 20.000 Beschäftigten der 436 deutschen H&M-Shops ihr Essen nicht bei "Suppenengeln" holen. Immerhin erhalten sie Tarifgehälter. Aber manche Verkäuferin muss mit Hartz IV aufstocken, weil sie von ihren wenigen Arbeitsstunden nicht leben kann.

Monatseinkommen ungewiss

Viele Arbeitsverträge bei H&M garantieren nur eine Mindeststundenzahl, manchmal lediglich zehn pro Woche. Mehr Arbeit wird nach Bedarf zugeteilt. Deshalb wissen Beschäftigte mit solchen "Flex-Verträgen" oft nicht, was sie am Monatsende verdient haben werden.

Der Konzern findet, der Einzelhandel benötige nun mal "ein gewisses Maß an Flexibilität", und der Personaleinsatz müsse dem Arbeitsaufkommen angepasst werden. 2.200 der Beschäftigten seien Studenten, die ab 20 Stunden pro Woche ihren Studentenstatus verlieren würden.

"Bei Studenten mag das ja auch in Ordnung gehen", findet die Bremer ver.di-Sekretärin Sandra Schmidt, heute mit Totenmaske, Plastiksense und schwarzem Umhang ausstaffiert. "Aber andere brauchen regelmäßige Einkünfte, die zum Leben und später für die Rente reichen." Schmidts ver.di-Kollege Arne Brix ist aus dem 50 Kilometer entfernten Oldenburg angereist, um sich dem "Zombie-Walk" anzuschließen. In Filialen mit Betriebsrat, so erzählt er, würden die Arbeitszeiten eigentlich zwei bis vier Wochen im Voraus festgelegt. Aber oft würden Beschäftigte aufgefordert, von heute auf morgen einzuspringen, vor allem als Krankheitsvertretung. Die Personaldecke sei also viel zu dünn, sagt Brix. "Unternehmen müssen genügend Personal vorhalten, damit auch mal eine Kollegin krank werden kann."

Ein weiterer Kritikpunkt von ver.di und der aktion./.arbeitsunrecht: H&M versuche, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern oder jedenfalls deren Arbeit zu torpedieren. "Wozu brauchen wir einen Betriebsrat? Wir sind doch eine Familie." So etwas bekämen die Angestellten zu hören, wenn sie einen Betriebsrat gründen wollten, sagt ver.di-Sekretärin Schmidt.

Werde dann trotzdem eine Personalvertretung gewählt, würden deren Mitglieder "mürbe gemacht" - unterhalb der Schwelle einer strafbaren Behinderung der Betriebsratsarbeit. Und immer wieder würden Betriebsräte, so ver.di, "mit fadenscheinigen Begründungen" gekündigt.

H&M Deutschland bestreitet das und sagt, das Unternehmen pflege einen "offenen und konstruktiven Dialog" mit den Arbeitnehmervertretern. "Im Fall von Kündigungen liegen sehr gut begründete Tatsachen vor. Nie gab es Kündigungen aufgrund von Gewerkschafts- oder Betriebsratsarbeit." In den letzten zehn Jahren seien zehn Betriebsratsmitglieder gekündigt worden, dreimal mit Zustimmung des Betriebsrats und dreimal "mit einvernehmlichen Vergleichen". Schmidt entgegnet: "Von den drei Zustimmungen weiß ich nichts." Und wenn ein arbeitsgerichtlicher Vergleich geschlossen werde, dann deshalb, "weil die Gekündigten irgendwann mürbe geworden sind".

H&M betont auch, Achtung vor der "Gewerkschaftsfreiheit" zu haben. Für ver.di-Sekretärin Schmidt eine doppeldeutige Aussage: "Die wären froh, wenn ihre Filialen frei von Gewerkschaften wären."

Lebensentwurf geschreddert

Kollege Brix spricht sogar von "Psychoterror" gegen Betriebsräte. Aber auch andere Engagierte hätten es schwer bei H&M: "Wenn du streiken gehst, weißt du nicht, ob du im nächsten Monat noch genug Arbeitsstunden zugeteilt bekommst."

Wer an diesem Freitag die H&M-Filiale in der Sögestraße passiert, bekommt ein Flugblatt oder eine "Abmahnung wegen unbedachten Konsumierens" angeboten. "Das habe ich alles nicht gewusst", sagt ein Passant. Dagegen meint eine Rentnerin, die gerade bei H&M eingekauft hat: "Mich überrascht das nicht. Aber ich brauchte dringend neue Socken."

Der Aktionstag soll auch auf die Arbeitsbedingungen in den asiatischen Produktionsstätten hinweisen. "Wir unterstützen uns gegenseitig bei den Forderungen", heißt es dazu in einem Flugblatt.

Auch in Aschaffenburg findet an diesem "Schwarzen Freitag" ein "Zombie-Walk" statt. Denn im benachbarten Großostheim soll 2018 ein Lager mit fast 350 Beschäftigten geschlossen werden. In Herford wird eine "Modenschau der arbeitsrechtlichen Grausamkeiten" präsentiert, mit Models in Müllsäcken. In Köln greifen Aktivisten mit Schutzhelmen zur Flex: Sie zersägen ein Schild "Vollzeit 38,5". Und greifen zu Laubbläsern, um Arbeitsvertragsschnipsel in die Luft zu blasen: "Geschredderte Lebensentwürfe".