Vor einigen Jahren glaubten die Augenoptiker*innen, es bei brillen.de beziehungsweise der SuperVista AG in Königs Wusterhausen besonders gut getroffen zu haben: gutes Gehalt und freier Samstag. Doch dann kam das dicke Aber.

2012 als reiner Online-Anbieter mit Partner-Optikern gegründet, begann billen.de ab 2019 eigene Filialen aufzubauen, in denen meist nur ein Mensch für den Verkauf sitzt. Den Sehtest machen Augenoptiker*innen überwiegend "remote", also per Videochat aus dem Homeoffice, und zwar für jeweils mehrere Filialen. Die inzwischen international agierende SuperVista AG hat nach eigenen Angaben heute rund 600 Filialen allein in Deutschland und Österreich.

Statt es gut zu haben, verhinderte die vorgegebene Termindichte für die Augenoptiker*innen sowohl eine gute Betreuung der Kund*innen wie auch Pausen und pünktlichen Feierabend für die Beschäftigten. Schließlich sollten Kameras in den Läden des Brillen-Discounters installiert werden, dazu kam 2022 eine Kündigungswelle. So kam es zum Entschluss, mit lauter Einzelkämpfern einen Betriebsrat zu gründen, was von der Geschäftsführung heftig bekämpft und erst auf dem Klageweg erreicht wurde.

In den anderthalb Jahren, seit es den elfköpfigen Betriebsrat für die über 400 Mitarbeiter*innen von brillen.de in Deutschland gibt, hat sich wenig verbessert: Die Geschäftsführung ignoriert Informationsansprüche, kündigt Betriebsratsmitglieder fristlos, Themen wie Arbeitszeit oder Telearbeit konnten nur nach Errichtung einer Einigungsstelle geregelt werden.

Morten Kramme, Teil des Rechtsanwaltsteams des Betriebsrats, berichtet: "Zur Überraschung des Betriebsrats hat die Arbeitgeberin über ein Jahr nach der Betriebsratswahl ein Wahlanfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht eingeleitet. Sie stützt sich dabei auf vermeintliche formelle Fehler bei der Wahl. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass eine Wahlanfechtung nur innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse erfolgen kann. Der Betriebsrat muss sich nun auch gegen dieses Verfahren vor Gericht zur Wehr setzen."

Schon 16 Verfahren

16 Verfahren beim Amtsgericht Cottbus sind bisher die Bilanz, einmal ging es sogar in die zweite Instanz vor das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. "Das ist klassisches Union Busting", erklärt Jan Schulze-Husmann, Gewerkschaftssekretär in der ver.di-Bundesverwaltung.

Ein Ziel des Betriebsrats ist es, auch die Kolleg*innen der SuperVista Service GmbH, eine hundertprozentige Tochter der SuperVista AG, in ein gemeinsames Unternehmen zu holen. Die Beschäftigten machen dieselbe Arbeit wie die von brillen.de/SuperVista AG, allerdings ohne Zugang zum Betriebsrat der SuperVista AG. Eine weitere neue Hürde für die Betriebsratsarbeit ist neuerdings auch die Clusterbildung, die Einteilung in Regionen: Prämien werden für das ganze Cluster errechnet. Wer nichts verkauft, weil er oder sie mit Betriebsratsarbeit beschäftigt ist, drückt das Gesamtergebnis. Das gilt auch bei kranken oder urlaubenden Kolleg*innen. Keine gute Voraussetzung für ein konstruktives Unternehmensklima. Und statt sich für die Arbeitsbedingungen einsetzen zu können, ist der Betriebsrat mit Klagen und Einigungsstellen beschäftigt.

Rechtsanwalt Kramme kritisiert, die Arbeitgeberin verzögere selbst grundlegende Informationsrechte . Beispielsweise liefere sie nicht die geforderten Informationen zum Gesundheitsschutz. Der Betriebsrat musste ein Gerichtsverfahren einleiten. Die Arbeitgeberin habe dann zwar den Anspruch anerkannt, die Informationen aber nicht geliefert. "Das Gremium wird auf das Heftigste drangsaliert", resümiert Gewerkschafter Schulze-Husmann.

Susanne Stracke-Neumann

FAQ

Wie haben sich die Beschäftigten angesichts einer Kündigungswelle bei brillen.de gewehrt?

Sie gründeten einen Betriebsrat, was von der Geschäftsführung heftig bekämpft und erst auf dem Klageweg erreicht wurde.

Warum fordert ver.di, dass die Reinigungsarbeit an Hochschulen wieder in Eigenregie erfolgt?

Weil ausgelagerte Reinigung häufig mit prekären Arbeitsbedingungen verbunden ist: niedrige Löhne, unsichere Verträge, kaum soziale Absicherung und fehlende Mitbestimmung durch Betriebsräte. ver.di setzt sich deshalb für eine Wiedereingliederung der Reinigungskräfte in den öffentlichen Dienst ein – für faire Bezahlung, sichere Jobs und echte Mitsprache.