Ein nicht näher benanntes Dorf ist Schauplatz des Mordes an einem Zugereisten. Im Umgang mit Fremden hat sich der Ort schon oft von seiner hässlichen Seite gezeigt. Während des Zweiten Weltkriegs, unter einer als deutsch identifizierbaren Besatzung, zeigen die Dorfbewohner ihre wahren Fratzen. Schreiber Brodeck wird von der Dorfgemeinschaft beauftragt, den Tatablauf, der zum Tod des Fremden führte, festzuhalten. Er weiß, Mörder und Auftraggeber sind identisch. Und so erstellt er heimlich einen zweiten Bericht. Dieser beinhaltet seine eigene Geschichte - und offenbart dadurch Teile der beschämenden Dorfchronik.

Manu Larcenets Comic nach Philippe Claudels Roman Brodecks Bericht ist keine leichte Kost. Unheilvoll dräuende Landschaften in raffinierter Schwarz-Weiß-Grafik, spärlich umrankt von Text, machen die in der Region latent vorherrschende Gefühlskälte und Verrohung physisch erfahrbar. Zum allgegenwärtigen Unbehagen trägt ein nicht rational erklärbares Sterben innerhalb der Fuchspopulation bei. Brodeck, der sonst Berichte über Flora und Fauna verfasst, wird zudem mit Erinnerungen konfrontiert, die in den gottverlassenen Wäldern reichlich Nahrung im sonst kargen Umfeld finden.

Für die bildliche Bearbeitung des Romans nahm Larcenet Kürzungen vor: So fehlt ein von Brodeck selbst begangenes Unrecht, das auch ihm einen zwiespältigen Charakter verleiht. Das schwächt die Kernaussage des Romans ab, weitere Änderungen zu Gunsten der visuellen Dramaturgie allerdings bewirken überwältigend abgründige Bilder. Etwa die vom Aufhängen eines Pferdes an einem Baum. In der Vorlage ertränken es missgünstige Dorfbewohner, um sich für die entlarvenden Porträts eines nicht aus dem Ort stammenden Künstlers zu rächen. Doch selbst die grausamste Fantasie vermag sich nicht den Horror auszumalen, den Larcenet mit seiner Darstellung des strangulierten Pferdes heraufbeschwört. Diese Zeichnungen prägen sich ebenso nachhaltig ein, wie die der Peiniger des inhaftierten, von den Dorfbewohnern an die deutschen Besatzer verratenen Brodecks. Ihren grauenhaften Handlungen stehen die Gesichter der Wachmänner in nichts nach, menschliche Züge sind ihnen abhanden gekommen. Brodecks Bericht zeigt, wozu Menschen fähig sind, und lässt Betrachter/in und Leser/in mit der bangen Frage zurück, wie es um die eigene Zivilcourage in unruhigen Zeiten bestellt ist. Oliver Ristau

"Brodecks Bericht" von Manu Larcenet, 328 S., schwarz-weiß, Querformat, ISBN 978-3-95640-132-9, 39 €