Zweigeteilte Welt. Aus einer Plakatserie von Igor Dobrowolski

Es gehört viel Mut dazu, als Beschäftigte in der Textilindustrie Bangladeschs für die Rechte der Arbeitnehmer/innen einzutreten. Angesichts miserabler Bezahlung und schlechter Arbeitsbedingungen trauen sich aber immer mehr Arbeiter/innen, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Zwei der mutigen Frauen waren Ende Oktober in der Bundesrepublik unterwegs, um über die aktuelle Situation in den Textilfabriken Bangladeschs zu informieren: Kalpona Akter vom Bangladesh Center for Worker Solidarity (BCWS) und die zufällig namensgleiche Mim Akter von der Fabrikgewerkschaft Dress & Dismetic. Auf Einladung des feministischen Vereins FEMNET hielten die beiden Frauen an Hochschulen mit Textil- und Modestudiengängen in Berlin, Hannover, Krefeld und Mönchengladbach Vorträge über die Zustände in den Textilfabriken.

Obwohl sich nach dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza im Jahr 2013 mit über 1.100 toten und zahlreichen schwerverletzten Arbeiterinnen und Arbeitern in Bezug auf die Arbeitssicherheit einiges verbessert habe, so Kalpona Akter, seien die Bedingungen für die Näherinnen nach wie vor extrem hart. Die gezahlten Löhne gehören zu den niedrigsten weltweit - wobei nicht einmal alle Fabriken den geringen Mindestlohn von umgerechnet 55 Euro monatlich zahlen.

Tausende haben gestreikt

Tausende von Textilarbeiter/innen in Bangladesch streikten im Dezember 2016 für einen Mindestlohn von 155 Euro. Fabrikbesitzer und Staat ließen die Streiks niederschlagen. 1.500 Beschäftigte, vorwiegend waren es Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, wurden entlassen. Mehr als 1.000 wurden angeklagt. 39 landeten im Gefängnis. "Wer seine Arbeit verliert, wird auf einer Schwarzen Liste registriert", berichtete Kalpona Akter bei ihrem Besuch in Berlin. Eine neue Anstellung finde nur, wer sich unter einem anderen Namen bewirbt. Die Inhaftierten kamen erst frei, nachdem sich Protest aus dem Ausland rührte.

"Fragt im Laden nach, wer die Kleidung genäht hat"

Dass Fabrikbesitzer und Regierung in Bangladesch reagieren, wenn sich die Abnehmer aus den Ländern des Nordens mit kritischen Nachfragen melden, belegen die verstärkten Sicherheitskontrollen, die nach dem Einsturz von Rana Plaza eingeführt wurden: Das Gebäude- und Brandschutzabkommen "Accord" könne als "bahnbrechend bezeichnet werden", sagte Gisela Burckhardt, geschäftsführender Vorstand von FEMNET, bei der Auftaktveranstaltung in Berlin. Mehr als 1.800 Fabriken seien auf der Grundlage dieses Abkommens inspiziert, 97 Prozent der gefundenen technischen und statischen Mängel seien abgestellt worden.

Doch die Verlängerung des Abkommens ab Mai 2018 wurde vom obersten Gericht Bangladeschs im Oktober ausgesetzt. Angeblich seien Fabrikbesitzer und Regierung nicht ausreichend in die Ausgestaltung von Accord II einbezogen worden. Das neue Abkommen, das von NGOs, Gewerkschaften und mehr als 40 Markenherstellern aus Europa, Nordamerika und Asien unterstützt wird, enthielt nicht nur Bestimmungen zu sicheren Arbeitsbedingungen, sondern auch zu Arbeitnehmer/innenrechten. "Inzwischen hat die Regierung zwar Accord II zugestimmt, aber unter Auflagen", berichtet Sina Marx von FEMNET. "Die Kontrolleure sollen das Land verlassen, sobald Bangladesch eine eigene funktionierende Institution aufgebaut hat, die die Aufgaben des Accord übernehmen kann."

Auf ihrer Rundreise haben Kalpona Akter und Mim Akter den Zuhörer/innen in Deutschland erklärt, dass die Konsument/innen in den Abnehmerländern der Textilien Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in Bangladesch nehmen können. "Fragt im Laden nach, wer die Kleidung genäht und wieviel Geld diese Person dafür erhalten hat", sagte Kalpona Akter. "Und fragt, ob dieser Lohn für ein menschenwürdiges Leben reicht, ob sich die Arbeiterinnen gewerkschaftlich organisieren dürfen, ob die Fabriken sicher sind." Markenunternehmen und Einzelhändler müssten reagieren, schließlich seien sie auf die Kund/innen angewiesen. Gudrun Giese

Foto oben: http://www.instagram.com/igordobrowolski