Ausgabe 01/2018
Keine Erhöhungen geplant
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter
Allein die 45 reichsten Haushalte in Deutschland besitzen genauso viel, wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. Mit jeweils 214 Milliarden Euro gibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) das Vermögen der jeweiligen Gruppe an, bezogen auf das Jahr 2014. Damit wird klar, wie weit sich die Schere zwischen Arm und Reich mittlerweile geöffnet hat.
Nach Angaben der Wissenschaftler/innen ist es schwierig, die Einkommen von sogenannten Superreichen zu ermitteln. Zum einen sei ihre Zahl gering, daher können ihre Vermögen in Stichproben nicht gesichert erfasst werden. Außerdem basieren viele Statistiken auf freiwilligen Befragungen - und hier ist die Bereitschaft, sich an Umfragen zu beteiligen, recht gering. Das DIW geht davon aus, dass das Vermögen privater Haushalte in den Vermögensrechnungen von Bundesbank und Statistischen Ämtern um mindestens eine Billion Euro unterschätzt wird. Daher hat es für seine Berechnungen jetzt sogenannte Reichenlisten herangezogen. Damit sind Aufstellungen gemeint, die meist von Wirtschaftsmagazinen veröffentlicht werden.
Durch die jetzt vorgelegten Zahlen wird deutlich, wie extrem die Unterschiede sind. So verfügt das obere Zehntel der in der Vermögensstatistik erfassten Haushalte über knapp zwei Drittel des Vermögens. Betrachtet man die Vermögensentwicklung seit Mitte der 1990er-Jahre, ist der Einkommensanteil der unteren 50 Prozent nach DIW-Angaben stark gesunken, von 25 auf 17 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Einkommensanteil des obersten Prozents von acht auf 13 Prozent erhöht.
Auch eine Frage der Macht
"Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte kam im Wesentlichen bei den reichsten zehn Prozent an", sagt DIW-Forscher Stefan Bach im Interview mit Spiegel online. Für ihn ergibt sich daraus nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Frage der Machtverteilung: "Aber Unternehmerfamilien - und darum handelt es sich meist bei unseren Superreichen - haben auch hierzulande enormen Einfluss auf die Politik. Sie haben direkten Zugang zu Kanzlerin, Ministerpräsidenten und Parteien. Ihre Verbände haben viel Geld, um Medienkampagnen zu führen."
Als Grund für die Entwicklung nennt Bach die Steuer- und Finanzpolitik der vergangenen Jahre. Hier seien die oberen Schichten entlastet, mittlere und untere Einkommen hingegen belastet worden. Als Beispiele nennt er, dass die Steuern auf hohe Einkommen ebenso wie die Unternehmenssteuern gesunken seien. 1999 lag der Satz noch bei 53 Prozent, seit 2005 nur noch bei 42 Prozent. Das geht auf eine Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung zurück, in deren Rahmen auch der Eingangssteuersatz gesenkt wurde. Gleichzeitig verweist Bach auch darauf, dass hingegen Mehrwert- und Energiesteuern, die vor allem untere Einkommen relativ gesehen stark belasten, erhöht wurden.
ver.di fordert eine Besteuerung von großen Unternehmen ebenso wie Betriebsvermögen. Grundsätzlich soll das Steuersystem gerechter und Schlupflöcher, auch international, geschlossen werden. Auch die Erbschaftssteuer soll so gestaltet werden, dass Erben hoher Vermögen und Werte ihren Beitrag zur Finanzierung des Staates und seiner Aufgaben leisten. Das sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, mit einer besseren Finanzausstattung wäre der Staat auch in der Lage für mehr Ausgleich zu sorgen. Allein den kommunalen Investitionsbedarf bezifferte ver.di für 2017 auf 126 Milliarden Euro, die größten Summen werden für Schulen und Verkehrsinfrastruktur gebraucht. In der Politik scheint davon nicht viel angekommen zu sein. In der Sondierung hatten sich Union und SPD darauf verständigt, auf Steuererhöhungen verzichten zu wollen - auch beim Spitzensteuersatz.
Weltweite Ungerechtigkeit
Anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos hat die Nichtregierungsorganisation Oxfam Ende Januar die Verteilungsgerechtigkeit weltweit untersucht. Ihr Fazit: "Die soziale Ungleichheit spitzt sich zu." Im vergangenen Jahr hat des reichste Prozent der Menschen weltweit 82 Prozent des erwirtschafteten Vermögens eingestrichen, die ärmere Hälft der Weltbevölkerung ist hingegen leer ausgegangen. Das sind 3,7 Milliarden Menschen. www.oxfam.de