Compressorhead: Party Machine

Wenn diese Band auf Tour geht, wird es heavy. Dreieinhalb Tonnen Material müssen bewegt werden. Allein der Sänger wiegt 350 Kilo. Ihr Catering besteht aus bestem Kriechöl, das hält die Roboter bei Laune. Was einst als fröhliche Tech-Fummelei begann, hat sich zu einem Vollzeitunternehmen gemausert, das weltweit Staunen hevorruft. Die anfänglich noch aus recycelten Materialien zusammengefügte Roboterband ist mittlerweile auf fünf Mitglieder angewachsen. Und sie ist in der Lage, Musik auf echten Instrumenten zu spielen. Inklusive Headbangen, in den pneumatischen Knien federn und über die Bühne rollen. Sie sind auf internationalen Festivals zwischen den Killers und den Red Hot Chili Peppers aufgetreten. Zuletzt konnten sie sich mit John Wright von der legendären kanadischen Punk-Band NoMeansNo einen seelenverwandten Berufsrocker ins Boot holen. Er ist der Mentor, Songwriter und Produzent ihres neuen Albums. Und die Stimme des tonnenschweren Frontmanns Mega-Wattson.

Begonnen hatte alles im Berliner Untergrund. Stickboy, der vierarmig trommelnde Mohikaner mit seinem Hi-Hat-Sklaven Schmitti, wurde 2007 vom Briten Frank Barnes gebaut. Fingers, der Gitarrist mit den 78 Kuppen und der selbststimmenden Flying-V-Gitarre, wurde von Markus Kolb 2009 zusammengeschraubt. Dritter im Bunde war 2012 der beidhändig vierfingrige Bassist Bones, entworfen vom australischen Künstler Miles van Dorssen und dem Rotterdamer Dozenten und Programmierer Stock Plum. Als Trio mit einem Repertoire aus Instrumental-Versionen alter Punk- und Metal-Hits gestartet, ist man mittlerweile einen großen Schritt weiter. Die eiserne Gitarristin Hellga Tarr und Sänger Mega-Wattson sind die Neuzugänge bei Compressorhead. Und man spielt jetzt eigene Songs. Musik von gestern mit der Technik von heute.

Auf Party Machine klingt es wie ein Rendezvous der Ramones, der Hanson Brothers und Motörhead. Zu welcher Perfektion es Compressorhead mittlerweile gebracht haben, ist phänomenal und anhand einiger Live-Videos im Netz zu überprüfen. Strom, Pressluft, Magnetventile und alles mit MIDI angesteuert - was einfach klingt, braucht Geschick und ungezählte Stunden Tüftelei. Damit die Musik dieser Kreaturen aus Schrott, Stahl und unzähligen Plastikschläuchen auch den richtigen Groove hat, muss lange geschraubt werden. Zurzeit bereitet man sich auf die Shows zum Debüt-Album vor. Hellga kann jetzt die Anschlagstärke auf den Saiten verändern. Und Mega-Wattson lernt grade, dass man in ein Mikro immer nur vorn hineinsingen sollte. Martin Petersdorf

CD, COMPRESSORHEAD


Verschiedene: Rudolstadt-Festival 2017

Stets zum ersten Juli-Wochenende verwandelt sich das mittelalterliche 20.000-Einwohner-Städtchen Rudolstadt in ein Eldorado der Weltmusik, zu dem aus nah und fern bis zu 100.000 Besucher/innen ins thüringische Saaletal pilgern. Das Rudolstadt-Festival ist aber keines auf der grünen Wiese, sondern lockt durch das Ambiente der historischen Altstadt, durch den weitläufigen Heine-Park oder auch die hoch über dem idyllischen Tal thronende Heidecksburg zu einer prallvollen Entdeckertour durch die internationale Weltmusikszene. Alljährlich zum Jahreswechsel erscheint dann eine CD-Compilation mit Auszügen aus Konzerten des vergangenen Festival-Jahrgangs. So auch diesmal. Das 2-CD-Set plus DVD mit Festival-Doku nimmt mit auf eine musikalische Weltreise - von exotischen Chinesen über Singer-Songwriter Anni DiFranco, kolumbianische Salsa, Ensembles aus Brasilien und Kurdistan bis zu Reggae-Altmeister Toots & The Maytals. Nicht zu vergessen, die Fülle an keltischen Sounds aus dem Gastland Schottland. Am Ende steht der Vorsatz, beim nächsten Mal unbedingt selbst dabei zu sein. Peter Rixen

CD, HEIDECK / GALILEO


Feine Sahne Fischfilet: Sturm & Dreck

Es ist nicht einfach, dieses Leben. Jedenfalls nicht in diesem Kapitalismus, nicht mit den Nazis vor der Haustür, nicht mit der ganzen Wut im Kopf und erst Recht nicht mit der trostlosen Provinz da draußen und in einem drin. Und es ist auch nicht einfach, eine Band zu sein, die immer wieder diese ganze Scheiße herausschreit, aber deren Musik lange nicht so bekannt ist wie ihr politisches Engagement. Also: Feine Sahne Fischfilet. Aus Mecklenburg-Vorpommern. Überzeugte Aktivisten. Haben Probleme mit dem Verfassungsschutz. Organisieren Festivals für die Demokratie und gegen den braunen Sumpf. Sind die Guten. Aber die Musik? Ist auch auf ihrem fünften Album Sturm & Dreck das, was man erwarten darf: vorwärtsdrängender, vom Zorn getriebener Punk mit schneidigen Gitarren, vollmundigen Bläsern und einer großen Liebe zum Ska. Texte, die man schnell mitsingen kann, aber zum Glück kaum zu Parolen verkommen. Ein Soundtrack zur Konterrevolution gegen die rechts-nationale Revolte, von der sie nicht nur in der AfD träumen. Ein quicklebendiger Ersatz für die in der Beliebigkeit versackten Toten Hosen. Also im Großen und Ganzen das, was man braucht in diesen Zeiten. Thomas Winkler

CD, AUDIOLITH / BROKEN SILENCE