Paso Doble in der Praxis

Erwartungsvoll richten sich die Blicke auf den Eheberater, als hofften Joana und Valentin Dorek insgeheim, er würde sich in den Streit einmischen und dem jeweils anderen die Schuld an ihrer Ehekrise geben. Der aber macht ihnen schnell klar, dass der Erfolg einer Paartherapie ganz von seinen Klienten abhängt. Angesichts des vergifteten Klimas stehen die Aussichten allerdings nicht besonders gut. Schließlich weiß sie immer schon vorher, wie ihr Mann reagieren und was er sagen wird, während er schon resigniert ob des scharfzüngigen Redeschwalls seiner Frau, die ihm vorhält, sowieso nichts ändern zu wollen.

Daniel Glattauers unterhaltsame, lebensnahe Boulevardkomödie entstand ursprünglich für die Theaterbühne, empfiehlt sich aber auch gut für das Kino. Das Paar Joana und Valentin hält ihrem Publikum den Spiegel vor. Beziehungsgeschädigte können so manchen Denkanstoß erhalten und herzhaft über eigene Schwächen lachen, denn tatsächlich entsprechen die Übungen, die Therapeut Harald im Laufe der Sitzung anwendet, durchaus gängiger Praxis. Sie alle dienen dazu, negative Energie in positive umzuwandeln. Die titelgebende Wunderübung soll die Probanden zum Beispiel in die Lage versetzen, sich mit geschlossenen Augen an ein gemeinsames schönes Erlebnis zu erinnern und sich dabei vorzustellen, ihre Konflikte hätten sich in Luft aufgelöst. Nichts läge da für die Doreks näher, als sich an den Anfang ihrer Geschichte zu erinnern. Die hatte einst so romantisch begonnen, als sie sich vor 17 Jahren unter Wasser beim Tauchen in Ägypten kennenlernten. Aber für ihn, den technischen Direktor, ist das nichts. Er kämpft mit der Müdigkeit und erleidet plötzlich einen Hustenanfall, das Experiment findet somit ein uncharmantes Ende. Genauso glücklos verläuft eine Übung, in der seine Frau ihm eine geballte Faust entgegenstreckt, die ihr wütendes, trauriges Herz darstellen soll, und er daran scheitert, sie zu öffnen. Hilflos zerrt er an ihren Fingern herum. Die Gründe, die dazu führten, dass sich die Eheleute entfremdet haben, deutet der Autor nur an. Sie wirken mit dem Hinweis auf die Kindererziehung, die ganz allein an ihr hängen bleibt, und auf einen zurückliegenden Seitensprung des Mannes etwas klischeehaft. Aber das macht nichts. Weil die psychologischen Prozesse nach einer Verschnaufpause und einer pointenreichen Wende bis zur letzten Szene spannend bleiben. Kirsten Liese

A 2017, R: MICHAEL KREIHSL, D: DEVID STRIESOW, AGLAIA SZYSZKOWITZ, ERWIN STEINHAUER, 92 MIN., KINOSTART: 28. JUNI 2018


Die Frau, die vorausgeht

New York, im Frühjahr 1889. Catherine Weldon hat sich in den Kopf gesetzt, einen zur damaligen Zeit berüchtigten Indianer zu porträtieren: Sitting Bull. Bei der Schlacht am Little Big Horn lehrte er einst den weißen Mann das Fürchten. Mittlerweile lebt der charismatische Häuptling in einem Reservat in North Dakota. Unbeugsam versucht der indianische Widerstandskämpfer einen Rest an Selbstbestimmung zu wahren. In dem konservativen Bundesstaat macht sich die selbstbewusste Witwe mit ihrer Sympathie für die amerikanischen Ureinwohner freilich bald Feinde. Besonders Colonel Groves will die unkonventionelle Frau loswerden, Zeugen seiner intriganten Machenschaften gegen die Indianer stören nur. Einer der Cowboys scheut sich nicht, ihr offen ins Gesicht zu spucken. Der atmosphärisch dichte Antiwestern, mit einer weiteren Paraderolle für die phänomenale Charakterdarstellerin Jessica Chastain, beleuchtet das mutige Engagement von Sitting Bulls engster Vertrauten. Tatsächlich zählte die Schweiz-Amerikanerin Weldon im späten 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Aktivisten der National Indian Defense Association und arbeitete als seine Sekretärin, Dolmetscherin und Anwältin. Meisterhaft verbindet das bildgewaltige Erzählkino Freiheitskampf und weibliche Emanzipation. Luitgard Koch

USA 2017, R: SUSANNA WHITE, D: JESSICA CHASTAIN, MICHAEL GREYEYES, CIARÁN HINDS, SAM ROCKWELL, CHASKE SPENCER, U. A., 102 MIN., KIN0START: 5. JULI 2018


Die brillante Mademoiselle Neila

Pierre Mazard lässt andere gern seine Überlegenheit spüren und führt sie coram publico vor. So ergeht es der nordafrikanischen Studentin Neila, die er beschämt, als sie sich am ersten Semestertag zu seiner Vorlesung verspätet. Doch der Vorfall schlägt Wellen und gefährdet den Ruf der Uni. Um seine Professur zu retten, muss Mazard der Migrantin dabei helfen, einen Rhetorik-Wettbewerb zu gewinnen. Allzu leicht hätte sich aus diesem Mann ein rundum abstoßender frauenfeindlicher Rassist formen lassen. Aber der Regisseur Attal kreiert einen ungleich komplexeren Charakter und erzählt so auch diese Wahrheit in seiner Geschichte: Dass sich ein unverbesserlicher Zynismus und eine kostbare pädagogische Begabung nicht zwangsläufig ausschließen. Jedenfalls profitiert die Jurastudentin dankbar von den ungewöhnlichen Methoden und dem immensen Wissen ihres sie stark fordernden, engagierten Lehrers. Wie sie mit der Rede eines römischen Senators in der Metro die Aufmerksamkeit der Fahrgäste gewinnen soll, beschert der cleveren Komödie bei alledem erfrischend lustige Momente. Kirsten Liese

F 2017, R: YVAN ATTAL, D: CAMÉLIA JORDANA, DANIEL AUTEUIL, YASIN HOUICHA U. A., 95 MIN., KINOSTART: 14. JULI 2018