Ausgabe 05/2018
Wenn die Pflege krank macht
Der ver.di-Bezirk Leipzig/Nordsachsen lädt seine Mitglieder regelmäßig zu Netzwerktreffen ein. Im Juni stand das Thema Pflege- und Pflegenotstand im Mittelpunkt. Dazu kamen Pflegebeschäftigte in das Leipziger Gewerkschaftshaus, aber auch ver.di-Mitglieder, die sich für das Thema interessieren und etwas für bessere Pflegebedingungen tun wollen.
Manuela Schaar, Gewerkschaftssekretärin aus dem Bereich Gesundheit und Soziales des ver.di-Landesbezirkes SAT, präsentierte die Fakten und Zahlen: So gibt es in Sachsen etwa 166.800 pflegebedürftige Menschen. Die Pflege sei dadurch auch ein großer Arbeitsmarkt geworden. Im ambulanten Bereich gibt es etwa 24.200 Pflegebeschäftigte, davon nur 31,9 Prozent in Vollzeit, und in den Pflegeheimen weitere 38.500 Beschäftigte, mit einem Vollzeitanteil von nur 21,1 Prozent. Es sei kaum möglich, in der Pflege eine 40-Stunden-Woche zu verkraften, hätten betroffene Mitarbeiterinnen einer Leipziger Pflegeeinrichtung erzählt, sagte Manuela Schaar. Die physischen und psychischen Belastungen seien einfach zu hoch, das schafften die meisten nicht.
Nachwuchs fehlt
Laut Untersuchungen des DGB-Index Gute Arbeit empfinden 87 Prozent der in der Altenpflege Beschäftigten ihre Arbeit als sehr sinnstiftend, aber fast drei Viertel sind der Überzeugung, dass sie den Beruf nicht bis zur Rente ausüben können, weil sie vorher ausgebrannt sind. Und fast 35 Prozent der Beschäftigten sind heute schon älter als 50 Jahre. Nachwuchskräfte sind immer schwerer zu finden. Schon jetzt benötigen Arbeitgeber in der Regel sechs Monate, um geeignetes Personal für eine freie Stelle zu bekommen. Auch die Einkommenssituation trägt dazu bei, den Beruf unattraktiv zu machen. So verdienen in Bayern Altenpfleger/innen rund 2.875 Euro brutto, in Sachsen sind es aber nur 2.050 Euro – ein großer Unterschied.
Die Netzwerk-Teilnehmer/innen diskutierten die Forderungen der in der Altenpflege Beschäftigten und was sie tun können, um die Wertschätzung der Pflegeberufe zu erhöhen. Ein wichtiger Punkt sei eine gerechte Ausgestaltung der Pflegefinanzierung, hieß es. Die Politik müsse hier handeln. Auch darüber gab es Staunen: Kommerzielle Anbieter im Pflegebereich kommen im Schnitt auf eine Kapitalrendite von 8,3 Prozent.
Die gewerkschaftliche Forderung nach einem Flächen- und Branchentarifvertrag bleibt Schwerpunkt. Durch öffentlichen Druck, auch den der Gewerkschaften, wird es bis 2020 ein vom Gesetzgeber in Auftrag gegebenes wissenschaftlich untermauertes Verfahren zur Personalbemessung geben. Das Pflegepersonal weiß aber auch schon jetzt, was es braucht. Es will nicht mehr aus dem Frei geholt werden und keine geteilten Schichten mehr haben. Und es wünscht sich lebensphasengerechte Arbeitszeiten, um Beruf und Familie gut miteinander verknüpfen zu können.
Bundesweit gibt es inzwischen ein Bündnis für gute Pflege. Die Betroffenen in Sachsen und im Landesbezirk entwickeln Plattformen, um sich zu vernetzen und ihren Einfluss zu erhöhen. Und in Dresden gibt es den Runden Tisch zur Pflege. Das wollen die Organisatoren auch für andere Städte und Regionen erreichen.
Zuletzt wünschten sich die Teilnehmer/innen, wenn von Pflege gesprochen werde, solle nicht mehr der Pflegenotstand dominieren, sondern der Wille, gute Bedingungen für das Pflegepersonal, für die Bewohner/innen und deren Angehörige zu erzielen. Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Btr