ver.di hat bundesweit neun Bildungszentren. Dort findet der überwiegende Teil der Seminare statt, die die Gewerkschaft über ihre Bildungsträger anbietet. Ob Interessenvertreter/innen, politisch Interessierte oder Aktive, für sie sind die quer über die Republik verteilten Bildungszentren Anlaufstelle für kompetente Information, aber auch für Gespräche, Diskussionen und den Austausch miteinander. Damit sich die Teilnehmenden wohlfühlen, ist ein komplettes Team im Einsatz, von der Küchenhilfe bis zum Bildungsstättenleiter. Ein Besuch im niedersächsischen Walsrode

Links: Manchmal darf es ein bisschen grüner sein: Gruppenarbeit findet im Sommer auch mal draußen statt Rechts: Nicht nur ver.di-Bildung wird in Walsrode geboten, die Stadt ist auch bekannt für ihren Vogelpark

ver.di hat bundesweit neun Bildungszentren. Dort findet der überwiegende Teil der Seminare statt, die die Gewerkschaft über ihre Bildungsträger anbietet. Ob Interessenvertreter/innen, politisch Interessierte oder Aktive, für sie sind die quer über die Republik verteilten Bildungszentren Anlaufstelle für kompetente Information, aber auch für Gespräche, Diskussionen und den Austausch miteinander. Damit sich die Teilnehmenden wohlfühlen, ist ein komplettes Team im Einsatz, von der Küchenhilfe bis zum Bildungsstättenleiter. Ein Besuch im niedersächsischen Walsrode

Hanns-Carsten Höfner (li.) und Hans-Henning Tech auf der Dachterrasse

Das Haus 103 Einzel-, Doppel- und Zweibettzimmer mit insgesamt 145 Betten, zehn Tagungsräume, sieben Gruppenräume, 34 Beschäftigte, das ist das ver.di-Bildungs- und Tagungszentrum Walsrode in nackten Zahlen. Hinzu kommen ein Speisesaal, eine Bar im Foyer, der ver.di-Treff im Keller, ein Wintergarten, Terrassen und ein großes Außengelände. Dort sind auch ein großes Schachfeld, ein Niedrigseilgarten und Flächen zu finden, auf denen die Gäste Fuß-, Hand- oder Volleyball spielen können. Ergänzt werden die Freizeitmöglichkeiten durch eine Sauna, Gesundheitsangebote, Fahrradverleih, Massagen und einen Entspannungsraum.

Die Leitung

Hans-Henning Tech leitet das Bildungszentrum in Walsrode seit zwei Jahren. „Das Spannende an der Bildungsarbeit ist, dass man hier Menschen begegnet, die offen sind, an ver.di interessiert, aber auch bereit zur Auseinandersetzung“, sagt er. Wichtig ist für ihn, dass das Bildungszentrum kein Satellitendasein führt, sondern Teil der Organisation ist. Als ehemaliger Leiter einer gewerkschaftlichen Jugendbildungsstätte und Gewerkschaftssekretär kann er hier Erfahrungen aus beiden Aufgabenfeldern vereinen. Erzählt jemand im Seminar von seinen betrieblichen Problemen, ist es für ihn selbstverständlich, Kontakt zu ver.di vor Ort herzustellen, zu helfen, auch wenn es weit über das eigentliche Seminarthema hinausgeht.

Tech sorgt auch dafür, dass das Bildungszentrum Teil der Region ist. Der ver.di-Bezirk Hannover-Heide-Weser bietet hier Lohnsteuerberatung an, hier tagen Gremien und Vorstände, erstmalige Betriebsratswahlen werden vorbereitet. An den Wochenenden kann das Haus auch für Klassentreffen und Familienfeiern oder einfach nur zum Übernachten genutzt werden, für Veranstaltungen von örtlichen Parteien, Verbänden oder Vereinen. Jüngst haben sich zum 16. Mal motorradbegeisterte ver.dianer/innen hier getroffen.

Den Wirtschaftsbereich leitet Hanns-Carsten Höfner. Er ist vor 22 Jahren aus der Hotelbranche in das Haus gewechselt. Ein Jahr habe er sich angeschaut, wie das Haus tickt, dann habe er sich behutsam an Änderungen gemacht. Die Bar im Foyer ist seine Idee, ebenso wie viele der Wochenendangebote, von der Wein- oder Käseverkostung bis hin zum weihnachtlichen Backen. Die Zimmer seien nach und nach unter laufendem Betrieb renoviert worden. „Routine hat sich dabei nie eingestellt“, sagt er. Dabei hält er immer im Blick, dass der Haushalt des Bildungszentrums stimmt, denn Bildung muss auch finanzierbar sein.

Ständig ist er auf der Suche nach neuen Ideen. So zeigt er schnell noch einen Tisch, der in einer Umhängetasche zu Veranstaltungen mitgenommen werden kann. Fix aufgebaut bietet er eine repräsentative Ablagefläche für Flyer und andere Materialien, selbstverständlich mit einem großen Hinweis auf das Bildungszentrum an der Vorderseite des Tisches. Höfners Augen leuchten, wenn seine Zuschauer nachfragen, wo sie diesen Tisch für ihre Arbeit denn bestellen können.

Die Bildungssekretär/innen

Neben Hans-Henning Tech arbeiten vier weitere Bildungssekretär/innen in Walsrode: Gina Maier, Burkhard Schomerus, Katrin Stelzer und Ralf Bohlen. Sie koordinieren die verschiedenen Angebote, betreuen die Seminare, unterstützen die Teamenden, klären weitergehende während der Seminare auftretende Fragen, arbeiten mit an Seminarkonzepten und werten auch die Seminare aus. „Wir sind ein gutes Team“, sagt Ralf Bohlen mit Blick auf die Mischung aus wissenschaftlicher und praktischer Kompetenz in diesem Team. Man tausche sich rege aus über Inhalte und Methoden, arbeite intensiv miteinander und lerne dabei auch voneinander, mit dem Ziel, dass die Teilnehmenden möglichst viel aus den Seminaren mit in die Betriebe und Dienststellen nehmen könnten.

Bildung macht Spaß, hier im Computerraum unterm Dach

Die Teamenden

Jedes Seminar wird möglichst von zwei Teamenden geleitet. Wichtig ist, auch Teamende aus der betrieblichen Praxis einzusetzen. Beispiel Karsten Knoke: Als bundesweit erster Betriebsratsvorsitzender bei Matratzen Concord lieferte er sich bis zum vorigen Jahr eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber. „Nicht nur aus dieser Zeit kann ich Erfahrungen mitgeben“, sagt Knoke. Während seiner Zeit als Betriebsrat hat er Walsrode als Teilnehmer erlebt. „Gute Teamer, gutes Haus“, das steht für ihn außer Frage. Gefallen hat ihm besonders, dass hier Bildungsarbeit mit Haltung gemacht wird – im Sinne der Beschäftigten halt.

Er selbst hat auch schon an einem Betriebsratsseminar eines anderen Anbieters teilgenommen. „Das war ein tolles Hotel, ein tolles Rahmenprogramm. Ich habe nur leider nichts gelernt“, sagt er rückblickend. Mittlerweile nimmt er an der Einstiegs- und Orientierungsreihe von ver.di teil, bei der ehren- und hauptamtliche Teamer/innen die Grundlagen der Seminargestaltung lernen. Vorgeschlagen dazu wurde er von Hans-Henning Tech, der Knoke als Seminarteilnehmer kennengelernt hat.

Im Seminarraum nebenan ist Britta Rust eine der Teamenden, auch hier ist das Thema Betriebsverfassung I für neugewählte Betriebsrät/innen. Ihnen will sie nicht nur das Wissen über die rechtlichen Grundlagen vermitteln, ihr ist auch wichtig, dass sich die Teilnehmenden über ihre neue Rolle klar werden, die sie als Betriebsratsmitglied eingenommen haben. Sie vertreten jetzt die Beschäftigten, agieren in ihrem Sinne gegenüber dem Arbeitgeber. Seit acht Jahren ist Britta Rust als Teamerin aktiv. Das Bildungszentrum in Walsrode ist für sie dabei schon „ein bisschen Heimat“ geworden. Sie freut sich über die „große Offenheit und Freundlichkeit“, der sie hier begegnet, und die vielen Kontakte, die sie knüpfen konnte.

Die Verwaltung

Wer in Walsrode telefonisch ein Seminar buchen möchte, landet erst einmal bei Liane Köhler, Birgit Kronfeldt oder Marion Gellermann im Seminarbüro. Sie nehmen die Anmeldungen entgegen, behalten die Auslastung des Hauses im Auge. „Meist sind es nette Gespräche“, sagt Liane Köhler, die seit 26 Jahre Mitglied des Teams ist. Nur bei ausgebuchten Seminaren, gerade bei gefragten Bildungsurlauben, passiere es schon mal, dass abgewiesene Teilnehmer am Telefon ungehalten werden. „Aber dazu haben wir ein Telefontraining absolviert“, sagt Birgit Kronfeldt. Damit könne man auch diese Situationen gut meistern.

Sie zahlen auch Reisekosten aus, führen Statistiken, stellen Bescheinigungen aus. Und manchmal kommen auch Teilnehmende wie Teamende, um sich persönlich noch mal bei den Frauen zu bedanken, die die Anmeldung so gut gemanagt haben. Oder um gleich ein weiteres Seminar zu buchen.

Wer im Bildungszentrum ankommt, geht als erstes zur Rezeption links vom Eingang. Dort werden sie in dieser Woche von Sonja Reiter und Anika Althoff begrüßt. Sie sind Ansprechpartner/innen zu all den Fragen: Wo sind welche Räume im Haus? Wann wird gegessen? Was kann man in der Freizeit machen? – Sie wissen die Antworten. Und auch wenn, wie in dieser Woche, eine Teilnehmerin erkrankt, organisieren sie ihr Tee, Schonkost und das Taxi für den Arztbesuch. Betreuung rundum eben.

Der Hausservice

Sabine Klemm und ihr Team sorgen dafür, dass das gesamte Bildungszentrum von oben bis unten sauber gehalten wird. Das sind nicht nur die Zimmer, hier ist beim Bettenwechsel der meiste Stress, auch alle anderen Räume wollen regelmäßig gereinigt werden. Abends versorgen sie und ihre Kolleg/innen die Teilnehmenden im ver.di-Treff mit Getränken, wenn sie dann noch zusammensitzen. „Wir sind hier ein gutes Team“, sagt sie. Damit meint sie nicht nur ihren Aufgabenbereich, sondern hat die gesamte Belegschaft im Haus im Blick.

Die Küche

Durchschnittlich 90 bis 100 Leute verpflegen Ilka Beinhorn und das Küchenteam am Tag. Wichtig ist der Küchenchefin dabei, dass sie viel mit frischen Zutaten arbeitet. Seit 26 Jahren ist sie hier in der Küche tätig, in der Zeit hat sich viel verändert. Mittlerweile gehört es zum Standard, dass pro Tag ein vegetarisches und ein veganes Gericht angeboten werden. „Wenn mir gestandene Mannsbilder am Ende der Woche sagen, wie gut ihnen das vegetarische Essen“ geschmeckt habe, obwohl sie vorher noch geglaubt hatten, dass Fleisch zur Mahlzeit gehört, freut sie sich besonders. Beinhorn fühlt sich wohl in der offenen Küche im Speisesaal: „Hier können wir direkt am Gast arbeiten.“ Da bekommt das Küchenteam die Reaktionen auf ihr Essen gleich mit. Und dass gutes Essen mindestens so wichtig ist wie gute Seminarinhalte, davon ist sie überzeugt.

Ilka Beinhorn (re.) und ihr Küchenteam

Die Teilnehmenden

Sechs Wochenseminare finden zeitgleich bei unserem Besuch Anfang August statt, zwei weitere wechseln sich zur Wochenmitte ab. Trotz Sommerhitze und Urlaubszeit ist das Haus damit ausgebucht. Allein drei Seminare wenden sich an neugewählte Betriebsrät/innen. Mit dabei ist Dominik Siewert, Betriebsrat bei der Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen-Lippe, arbeitet in Bielefeld. Er sagt, dass er viel an Grundlagenwissen mitnehme. Seit Mai nimmt er an den Betriebsratssitzungen teil, „jetzt weiß ich besser, wovon die Leute reden. Es ist schöner, Hintergrundwissen zu haben als gefährliches Halbwissen“. Er freut sich auch über den Austausch, sei es während des Seminars oder wenn man abends noch zusammensitzt. Das ist für ihn ein Vorteil. Hier in Walsrode sei er mal für eine Woche raus aus dem Alltag. Das ver.di- Haus hier „mit allem drumherum und dran“ findet er spitze.

Andreas Althoff und Michael Kroll frischen in Walsrode ihr Wissen auf. Sie sind schon lange im Amt. Ihre Gruppe ist mit sechs Teilnehmenden die kleinste in dieser Woche, dafür können sie intensiv auf ihre Fragen eingehen. Für Michael Kroll, mittlerweile freigestellter Betriebsrat am Uniklinikum Marburg-Gießen, ist der Austausch untereinander das „Salz in der Suppe“. „Die Arbeitgeber sind gut geschult, da helfen die Seminare, auf Augenhöhe mit ihnen verhandeln zu können“, sagt Andreas Althoff, der Seniorteamleiter bei der Posttochter DHL Solutions in Essen ist. Für sie als betriebliche Interessenvertreter sind gewerkschaftliche Seminare ein Muss.

Heidi Reiter nimmt an einem Seminar zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement teil. Für sie ist bei der Wahl des Seminars auch das Drumherum entscheidend. Da sei im ver.di-Bildungszentrum eine „super Truppe“ am Werk, von der sie nicht nur viel „gut strukturiertes“ Fachwissen mitnehme. Hier werde auch großer Wert darauf gelegt zu zeigen, wie man es umsetze. Sie ist stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei der Service Niederlassung Kundentelefon der Deutschen Post AG in Leipzig.

Gabriele Rademacher und Birgit Meyer-Felsmann lassen sich als neue Betriebsrätinnen im Einsatz von Informationstechniken schulen. Sie betrachten das Bildungszentrum Walsrode mit einem ganz besonderen Blick, denn sie arbeiten im ver.di-Bildungszentrum in Undeloh, quasi auf der anderen Seite der Lüneburger Heide. „Für uns ist es sehr interessant, auch mal in anderen ver.di-Häusern zu sein“, sagt Birgit Meyer-Felsmann. Sie kennt als Mitglied des Gesamtbetriebsrats auch schon einige der anderen ver.di-Bildungszentren. Große Unterschiede hat sie dabei aber nicht festgestellt. „Jedes Haus ist individuell, hat eigene Stärken“, ergänzt ihre Kollegin. Undeloh liege im Naturschutzgebiet, sei mit 62 Zimmern kuscheliger und gemütlicher. Dennoch fühlen sich die beiden in Walsrode wohl, loben die Ausstattung und die Atmosphäre. Aber das Wichtigste: Sie nehmen viel fachliches Wissen für ihre Arbeit mit nach Undeloh.

Beide Bildungsstätten kooperieren übrigens verstärkt, achten darauf, ihre Kapazitäten gemeinsam besser nutzen zu können. Denn auch wenn es neun ver.di-Bildungszentren bundesweit gibt, sehen sie sich nicht in Konkurrenz, sondern als Experten für gewerkschaftliche Bildung.