Eine auskömmliche Rente im Alter? Immer mehr fürchten, dass es damit nichts wird

Zwei Drittel der Menschen in Deutschland fürchten nach einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Sächsischen Zeitung aus Dresden, dass sie „im Alter keine ausreichende Rente“ erhalten werden. 16 Prozent hegen in dieser Hinsicht „eher keine“ Befürchtungen“. Lediglich knapp zehn Prozent machen sich keinerlei finanzielle Sorgen beim Blick auf das Alter.

Zu diesen düsteren Erwartungen trägt – neben allerlei anderen Entwicklungen – nicht zuletzt die verbreitete Verunsicherung in der Frage bei, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – auf die gesetzliche Rente Steuern fällig werden. Die Antwort lautet bekanntlich: Ja, im Prinzip müssen auch Rentner/innen Einkommenssteuer zahlen, und zwar umso mehr, je später sie in den Ruhestand gehen und je höher ihre Bezüge sind. Nach Schätzungen der Deutschen Rentenversicherung sind es derzeit etwa ein Viertel der Altersrentner/innen, die dem Finanzamt schon Tribut zollen müssen. Und es werden immer mehr.

Dass sie es überhaupt in steigendem Maße müssen, ist dem Gerechtigkeitsempfinden des Bundesverfassungsgerichts geschuldet. Das hatte 2002 festgestellt, die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Beamtenpensionen und gesetzlichen Renten sei verfassungswidrig, weil sie mit der Steuerbefreiung des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verstoße. Bis 2005 müsse eine verfassungskonforme Regelung her.

Die Professoren in der großen Mehrheit

Das ließ sich die rot-grüne Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, und seinem Vize Joschka Fischer, Bündnis 90 / Die Grünen, nicht zweimal sagen – passte die höchstrichterliche Entscheidung doch bestens zu ihren Plänen für einen massiven Sozialabbau auf breiter Front. Sie richtete flugs eine sogenannte Sachverständigen-Kommission ein mit dem Darmstädter Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik und Sozialdemokraten Hans-Adalbert Rürup an der Spitze. In diese „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“ wurden neben knapp zwei Dutzend Professoren, Unternehmern und Vertretern der Finanzwirtschaft lediglich vier Vertreter/innen der Gewerkschaften berufen – sichtbarer Ausdruck des Einflusses, den die Schröder-Regierung den Organisationen der abhängig Beschäftigten zuzugestehen pflegte.

Das Experten-Gremium entwickelte jedenfalls hurtig „die Neuordnung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen“ als Grundlage eines Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG), das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat und bis heute gilt. War bis dahin „nur“ der sogenannte Ertragsanteil der Altersrente – je nach Lebensalter bei Renteneintritt zwischen etwa 27 und 35 Prozent – der Einkommenssteuer unterworfen, so wurde mit dem neuen Gesetz die „nachgelagerte Besteuerung“ der Renten eingeführt, deren Höhe sich ausschließlich nach dem Kalenderjahr des Renteneintritts richtet.

Im Jahre 2005 startete sie mit einem steuerpflichtigen Rentenanteil von 50 Prozent. Bis 2020 wird er in Schritten von jährlich zwei Prozentpunkten auf 80 vom Hundert gestiegen sein, um dann bis zum Renteneintrittsjahr 2040 auf 100 Prozent anzuwachsen – jährlich um einen Prozentpunkt. Im Gegenzug steigt für Arbeitnehmer/innen die Steuerbefreiung von Beiträgen zur Altersvorsorge von 60 Prozent im Jahre 2005 auf 100 Prozent ab 2025.

Zentraler Bestandteil der Agenda 2010

Mit Gerechtigkeit bei der steuerlichen Behandlung von Altersrenten und Beamt/innen-Pensionen, wie sie vom Bundesverfassungsgericht angemahnt worden war, hat das alles wenig zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine auf Dauer angelegte versteckte Rentenkürzung. Wenn es um Gerechtigkeit gegangen wäre, hätte damals erst einmal das allgemeine Rentenniveau entsprechend angehoben werden müssen.

Aber rentenpolitisch ist in den zurückliegenden 15 Jahren bekanntlich das Gegenteil passiert. Das Rentenniveau ist von 53 auf 48 Prozent gesunken, das Renteneintrittsalter angehoben worden. In diesem Licht ist die „nachgelagerte Besteuerung“ der Altersrenten ein zentraler Bestandteil der unseligen Agenda 2010 als einer zentralen Ursache der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen.

Professor Rürup als einer ihrer pseudowissenschaftlichen Auguren ist dafür schon 2005 von seiner Genossin und damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Später heuerte er als „Chefökonom“ bei dem berüchtigten Finanzdienstleister AWD des Schröder-Freundes Carsten Maschmeyer an und war dort – laut Wikipedia – verantwortlich für „Ökonomische Analysen“ und die Erschließung neuer Märkte für die – man kann es sich schon denken – betriebliche und private Altersvorsorge.

Nachdem Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, im August dieses Jahres die Sicherung des aktuellen Rentenniveaus bis zum Jahre 2040 gefordert hatte, wurde er von Rürup abgekanzelt: Dieser Vorstoß wecke „unerfüllbare Hoffnungen“. Welche Hoffnungen erfüllbar sind und welche nicht, können in einer Demokratie allerdings letztlich immer noch die Wählerinnen und Wähler entscheiden.