Stephan Talty: Black Hand

New York City 1903. Ein kleiner Junge verschwindet spurlos. Der Vater erhält eine Lösegeldforderung. Auf dem Umschlag: eine schwarze Hand – das Symbol der gefährlichsten Organisation, die Amerika bis dahin gesehen hat. Ob Mord, Schutzgelderpressungen, Bombenanschläge – die Black Hand überzieht die Stadt mit Terror. Doch es gibt einen, der sie bekämpft wie kein zweiter: Joseph Petrosino, Detective der New Yorker Polizei, tut alles, um seinen kriminellen italienisch-stämmigen Landsleuten das Handwerk zu legen. Was klingt wie der Plot zu einem Ganoventhriller, ist eine wahre Geschichte über die erste Mafia New Yorks, die sich aus italienischen Einwanderern rekrutierte, die unter dem „Amerikanischen Traum“ etwas anderes verstanden als die meisten ihrer Landsleute. Der Journalist Stephan Talty erzählt sehr eindrücklich von dieser ebenso erfolgreichen wie grausamen Geheimorganisation. Doch vor allem erzählt er von Joseph Petrosino, der sich zunächst als Schuhputzer und Straßenkehrer verdingte, bevor er zur New Yorker Polizei ging und den Kampf gegen die Black Hand aufnahm. Eine wahre Geschichte, die sich liest wie ein Krimi. Marion Brasch

SUHRKAMP, Ü: JAN SCHÖNHERR, 318 S., 14,95 €


T.C. Boyle: Das Licht

Drogen und Hippies: Darüber schreibt T.C. Boyle seit jeher gerne, doch nun widmet er sich erstmals der Erforschung von LSD. Der 70-Jährige schildert den legendären Selbstversuch des Schweizer Wissenschaftlers Albert Hofmann 1943. Und die LSD-Experimente von Timothy Leary, der Anfang der 1960er Jahre in Harvard als Dozent für Psychologie lehrte. T.C. Boyle erzählt seine Geschichte aus der Perspektive von Fitz Loney, einem wissenschaftlichen Assistenten, der es in den eingeschworenen Kreis um Leary schafft. Loney und seine Frau nehmen an den berüchtigten Drogensessions teil. Sex und Wahn, Rausch und Hyperaufmerksamkeit, alles ist plötzlich möglich. Learys Vision von einer Erweiterung des Bewusstseins reißt die LSD-Tester mit, doch einige reißt sie auch in den Abgrund. Aus der Revolution des Bewusstseins wird die Kapitulation vor der Wirklichkeit, aus Forschung wird Privatvergnügen. T.C. Boyle gelingt das Kunststück, einerseits ganz nah bei seinen Figuren zu sein, mit ihnen zu schweben und zu schwärmen, und andererseits ihr Handeln aus der Distanz zu beobachten. Erleuchtung und Verblendung, eng miteinander verknüpft, grandios beschrieben. Günter Keil

HANSER VERLAG, Ü: DIRK GUNSTEREN, 384 S., 25 €


Hans-Dieter Rutsch: Der Wanderer

Seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg sind sein wohl populärstes und touristisch ergiebigstes Werk. Der, der wanderte, war freilich kein entspannter Spaziergänger, sondern beständig unterwegs, heimatlos und alles andere als der altväterliche Dichterfürst, als der er verehrt wird: Theodor Fontane wurde vor 200 Jahren in Neuruppin geboren. Der Sohn eines spielsüchtigen Apothekers und einer verbitterten, depressiven Mutter, ist mit 12 Jahren „allein auf der Welt“, bei wechselnden Verwandten und in Internaten untergebracht, auf sich gestellt, rastlos – ein lebensbestimmendes Gefühl. Fontane war kurzzeitig Apotheker, Journalist und Kriegsberichterstatter, bevor er der große, auch wunderbar amüsante Romancier und Schöpfer moderner Frauencharaktere wie Effi Briest wurde, seinerzeit eine literarische Sensation. Modern war ebenso sein finanziell stets prekäres Künstlerleben zwischen Familie, Politik (1848 sah ihn auf den Barrikaden) und Schreiben, man muss ihn sich als ununterbrochen Notizzettel um sich streuenden, aufmerksamen und neugierigen Beobachter vorstellen. Dass man den „märkischen Dickkopf“ leibhaftig vor sich sieht, verdankt man dem Autor dieser großartigen, kritischen, spannend geschriebenen Biografie, die, nicht streng chronologisch komponiert, dem „großen Dichter des alten Preußen“ und des frühmodernen Deutschland sehr nahe kommt. Ulla Lessmann

ROWOHLT-BERLIN, 336 S., 26 €