Trotz Androhung von Abmahnungen streikten sie und bekamen Unterstützung aus anderen kirchlichen Einrichtungen und der Bevölkerung

Hessen – Sie kämpfen für einen Tarifvertrag angelehnt an den öffentlichen Dienst, die Beschäftigten der St. Elisabeth-Altenhilfe Wetter GmbH und St. Elisabeth Innovative Sozialarbeit gemeinnützige GmbH. Und zunächst hat es für sie auch so ausgesehen, als ginge alles seinen sozialpartnerschaftlichen Gang: Nachdem sich die Hälfte der rund 100 Beschäftigten in der Gewerkschaft organisiert hatte, führte der Arbeitgeber Ende November 2018 mit ver.di ein erstes Sondierungsgespräch. Im Februar sollten die Tarifverhandlungen beginnen. „Wir hatten ein gutes Gefühl, die Gesprächsatmosphäre war offen und konstruktiv“, sagt die zuständige Gewerkschaftssekretärin Saskia Jensch.

Was die Beschäftigten jedoch nicht ahnten: Der Arbeitgeber hatte schon Anfang November seine Aufnahme in das Diakonische Werk Hessen beantragt, um der betrieblichen Mitbestimmung aus dem Weg zu gehen. In kirchlichen Einrichtungen gelten sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirche statt Tarifverträge. Sie haben auch keine Betriebsräte, sondern Mitarbeitervertretungen mit wesentlich weniger Rechten als Interessenvertretungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz.

„Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände tun gerade auf allen Ebenen viel dafür, das Vertrauen in diese Institutionen zu verspielen. Ein Verhalten der Arbeitgeber und der Diakonie wie in Wetter trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Menschen die Sonderregelungen für Betriebe in kirchlicher Trägerschaft ablehnen. Sie passen längst nicht mehr in die Zeit“, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Ausgerechnet in einem so gesellschaftlich relevanten Bereich wie der Altenpflege stößt der Arbeitgeber die Beschäftigten vor den Kopf. Um Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen, sollte er ihnen besser den roten Teppich ausrollen.“

„Der Arbeitgeber hat uns hinters Licht geführt“, betont auch Saskia Jensch. „Er hat die Beschäftigten mit einem guten Gefühl in die christlich geprägte Weihnachtszeit und den Jahreswechsel geschickt und ihnen die Wahrheit verschwiegen. Ich erwarte aber von einem kirchlichen Arbeitgeber, dass er sich an christliche Werte wie Ehrlichkeit hält und einem in Verhandlungen nicht ins Gesicht lügt.“

Die Altenhilfe Wetter ist, was solche plötzlichen Wechsel anbetrifft, nicht ganz unbescholten. Vor vielen Jahren wechselte sie schon einmal von der kirchlichen in die private Trägerschaft, um damit schlechtere Löhne durchzusetzen. Jetzt will sie mit einer Rolle rückwärts zurück zur Kirche und den Kampf um den Tarifvertrag verhindern. Und geht es nach dem Willen des Arbeitgebers, dann sollen die erst 2017 gewählten Betriebsräte auch schon nicht mehr zuständig sein und ihre Arbeit einstellen. „Der Betriebsrat ist aber noch im Amt“, sagt Saskia Jensch. Das Arbeitsgericht in Bad Wildungen habe entschieden, der Betriebsrat habe bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ein Übergangsmandat, längstens bis 31. Oktober.

Anschluss an den TVöD gefordert

Für die Beschäftigten bedeutet der Wechsel zur Diakonie Hessen zwar eine finanzielle Verbesserung, denn die Löhne sind dort höher. Allerdings liegen sie unterm Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), wofür sie kämpfen. „Das Einstiegsgehalt einer examinierten Altenpflegerin entspricht etwa 96 Prozent des TVöD“, sagt Jensch; nach 16 Jahren seien es aber nur noch rund 84 Prozent. Vor allem aber sind die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, anders als Tarifverträge, nicht verbindlich. In Notlagen kann der Arbeitgeber die Löhne um 15 Prozent senken. „Und wie zuverlässig er ist, das sieht man ja“, so Jensch.

„Mal kirchliche Einrichtung, mal weltliche, dann wieder kirchlich – Hauptsache, man kann die Löhne niedrig halten“, kritisiert Sylvia Bühler die durchsichtige Strategie der Arbeitgeber. „Gut, dass sich die selbstbewussten Kolleginnen und Kollegen in Wetter das nicht gefallen lassen.“ Am 1. März rief ver.di erstmals die St. Elisabeth-Altenhilfe Wetter GmbH und die St. Elisabeth Innovative Sozialarbeit gemeinnützige GmbH zum Streik für den Tarifvertrag auf. Am 8. März wurde ganztägig gestreikt, für gleichen Lohn wie in kommunalen Altenheimen.